Bildungsangebote in Kitas: Ohne Englisch geht gar nichts
In einer Berliner Einrichtung bietet man Kindern viel: Theater, Wald, Sport. Aber manchen Eltern reicht das nicht. Sie wollen noch mehr Angebote.
BERLIN taz | Jeden Tag sitzt Simone Sende in ihrem Büro am Computer und schreibt E-Mails. An Mütter und Väter. Simone Sende leitet zusammen mit einer Kollegin die Kita „mittendrin“ in Berlin-Mitte, einer Gegend mit „gehobener Klientel“, wie Sende sagt.
Die Eltern wollen ganz genau wissen, was ihre Kinder am Tag gemacht haben. Ob sie im Atelier ein Bild gemalt haben oder im Turnzimmer rumgetobt sind. Ob sie draußen im Wald waren oder im Naturkundemuseum um die Ecke. Sende teilt ihnen alles mit, ausführlich und virtuell.
Vor einem Jahr wechselte die studierte Erzieherin aus einer Kita in Schöneweide, einem alten Arbeiterbezirk, ins Akademikerviertel. „Schicken Sie mir eine Mail“ war der Satz, den sie zu Beginn in Mitte am häufigsten gesagt bekam. „Die Eltern hier sind sehr anspruchsvoll“, sagt Sende, 46.
Sie versteht das, sie ist selbst Mutter. Schließlich geben die Eltern ihr Liebstes in fremde Hände, da müssen sie Vertrauen haben. Aber manchmal kann sich Sende auch die Haare raufen. Sie sagt: „Einige Vorstellungen sind überzogen.“
Fragen der Qualität
Die Debatte über genügend Kita-Plätze hat sich mancherorts verschoben. Es geht jetzt weniger um die Quantität, sondern verstärkt um die Qualität der Einrichtungen. Sind die ErzieherInnen gut genug ausgebildet? Wie sieht das Bildungsangebot aus? Wie das Essen? Und wie ist das Bewegungsprogramm?
Die Kita „mittendrin“ gehört zur sogenannten Fröbel-Gruppe. Die betreibt in zahlreichen Bundesländern und sogar im australischen Sydney Kitas, Horte und Familienberatungsstellen. Vorbild: die Reformpädagogik des Freigeistes Friedrich Fröbel.
Im Hause „mittendrin“ gibt es alles, was sich viele Eltern heutzutage wünschen: bilinguale, frühmusikalische und interkulturelle Erziehung, Waldpädagogik und Gesundheitsförderung. Es gibt eine Bibliothek, einen Theater- und einen Medienraum mit Computern, ein Forschungslabor.
Ab dem ersten August haben auch Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Doch schaffen die Gemeinden den Ausbau? Die taz-Serie erzählt in lockerer Folge aus allen Teilen der Republik.
Die Kinder können selbst bestimmen, was sie machen, und jederzeit durchs tipp topp sanierte und großzügige Haus ziehen. Oder im Garten spielen. Es gibt eine Teeküche für die Kinder und eine „richtige“ Küche, in der Bio-Essen gekocht wird. Geöffnet ist das Haus von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends. Die ErzieherInnen bilden sich im angeschlossenen Bildungswerk fort. Mehr geht eigentlich nicht.
Hohe Ansprüche der Eltern
Manchen Eltern ist das aber immer noch nicht genug. Sie möchten zum Beispiel, dass regelmäßig Ausflüge wie auf den Fernsehturm oder auf den Potsdamer Platz auf dem Programm stehen. Sie sähen es auch gerne, wenn ihre Töchter und Söhne mit sechs Jahren die Kita komplett zweisprachig verlassen. „Das ist nicht zu leisten“, sagt Sende, „und entspricht auch nicht unserem Konzept“.
In der Kita arbeiten 18 Erzieherinnen und fünf Erzieher, vier der Kräfte sind englische Muttersprachler. Die insgesamt 180 Kinder zwischen 0 und 6 Jahren kommen aus Japan, Vietnam, England, Russland, Polen, Dänemark und Deutschland.
Die bilingualen ErzieherInnen sprechen mit den Kindern beim Essen Englisch, sie singen mit ihnen englische Lieder, sie lesen ihnen auf Englisch Geschichten vor. „Das ist mehr als anderswo geboten wird. Wer will, dass sein Kind zweisprachig aufwächst, muss zu Hause beide Sprachen sprechen“, sagt Sende. In Schöneweide, wo die Eltern nicht weniger Wert auf eine gute Betreuung legen, ist das Englischangebot ein „Bonbon“. In Mitte eine Grundvoraussetzung.
Abgleich mit der Kita-Realität
Mit manchen Müttern und Vätern führte die Diskrepanz zwischen Elternwünschen und Kita-Realität schon zu heftigen Auseinandersetzungen. „Den meisten Eltern konnten wir erklären, dass ihre hohen Erwartungen nicht in jedem Fall zu erfüllen sind“, sagt die Kita-Leiterin. Ein paar Eltern haben ihre Kinder trotzdem abgemeldet.
Am Nachmittag, nachdem die meisten Kinder abgeholt wurden, treffen sich manche Eltern noch auf dem nahe gelegenen Spielplatz am Nordbahnhof. Dann wird detailliert ausgewertet: Der neue Praktikant sei noch etwas unsicher, sagt eine Mutter. Bei der Hitze könnten „die Kids“ ruhig öfter in den Wald gehen, findet ein Vater. Ein anderer hätte gern Spanisch sprechendes Personal.
Hm, sagt eine weitere Mutter: „Darüber können wir ja noch mal reden.“ Wann? „Kann ich dir heute Abend sagen. Schick mir mal ne Mail.“
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