Bilanz: Das war der Sommer, der war
Ein paar heiße Tage, vor allem aber viel Regen und mächtige Gewitter: War da noch mehr? Die taz fragte neun Wetterexperten.
Der Schwimmbad-Chef
Persönlich wie dienstlich kann ich nur sagen: Das war kein Sommer, den man sich wünscht. Meine drei Wochen Urlaub waren komplett verregnet. Aus Sicht der Bäder-Betriebe war die Saison genauso schlecht wie im letzten Jahr - und das war auch schon ziemlich mies.
Was wir brauchen, sind stabile Wetterlagen. Erst wenn es zwei oder drei Tage richtig warm ist und die Sonne scheint, strömen die Leute in die Bäder. Wenn die schönen Tage - so wie in diesem Jahr - immer wieder von Regen unterbrochen werden, setzt dieser Trend nicht ein. Selbst wenn es morgens trübe ist und mittags die Sonne rauskommt, bleiben die Leute weg.
Eigentlich endet die Sommerbadsaison in ein paar Tagen. Wenn das Wetter so bleibt, wie es ist, macht es keinen Sinn, die Bäder länger offen zu halten. Wir wollen versuchen, das möglichst flexibel zu handhaben. Beim Strandbad Wannsee braucht man nur das Tor aufzusperren, falls es noch mal schön wird. Beim Prinzenbad ist das nicht so einfach. Wenn die Anlage einmal abgeschaltet ist, ist es vorbei. Ein paar Tage haben wir ja noch. Aber dann muss die Entscheidung fallen."
Jürgen Lipinsky (57) ist Chef der Berliner Bäder-Betriebe
Die Open-Air-Wirtin
"Es war definitiv kein guter Sommer für die Open-Air-Gastronomie. Einen richtigen Sommer hatten wir ja gar nicht, eine Woche ohne Regen war ja schon eine Seltenheit. Und wenn es geregnet hat, dann gleich richtig stark.
Ich habe gelesen, dass es der nasseste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen sein soll. Das deckt sich mit meinem Empfinden und spiegelt sich leider auch in den Bilanzen auf meinem Tisch wider. An der Strandbar Mitte waren die Besucherzahlen etwas besser als am Oststrand, wo wir im Vergleich zu 2006 merkliche Umsatzeinbußen haben. Bei solchen Witterungen gehen die Leute eben nicht an den Stadtstrand und machen sich die Füße nass im kalten Sand." PROTOKOLL: API
Claudine Matthee arbeitet in der Verwaltung der Hexenkessel und Strand GmbH
Die Kleingärtner
"Wer nicht gewässert hat, erntet jetzt kleine Kartoffeln. Entscheidend ist nämlich, dass der Boden beim Legen feucht ist, und im Frühjahr war ja die große Hitze. Wir haben fleißig gegossen und haben dementsprechend große Kartoffeln. Der Sommer war überhaupt recht schön, die Ernte ist gut. Die Äpfel müssen ausgepflückt werden, es gibt herrliche Brombeeren. Auch die Bohnenernte war reichlich. Jetzt kommen die prachtvollen Dahlien, das Feuerwerk des Gartens.
Jetzt kann man noch einmal Feldsalat, Spinat, Radieschen und Rettich aussäen. Die Nächte sind noch warm genug. Nur die Schnecken muss man absammeln, morgens und in der Dämmerung. Sonst fressen sie alles kahl. Wir sammeln die Schnecken in einem Eimerchen und streuen dann ein wenig Salz drüber. So laufen sie sich tot. Und dann tief eingraben. Man kann sie auch mit der Gartenschere zerschneiden - eine schreckliche Methode. Aber wer sie nur im Wald aussetzt - das hilft nicht. Schnecken können über zwei und mehr Kilometer riechen, die sind am nächsten Tag wieder da. Man muss sie vernichten."
PROTOKOLL: ALE
Hans und Helga Müller (82, 79) sind Kleingärtner in der Kolonie "Zur neuen Baumschule" in Pankow
Der Zoomitarbeiter
"Wir haben bislang einen wirklich schönen Sommer im Zoo Berlin gehabt. Die kurzen, kräftigen Regengüsse haben sich nicht auf die Besucherzahlen ausgewirkt - im Gegenteil liegen die Zahlen bisher eindeutig über denen des Vorjahres. Das haben wir aber auch Knut zu verdanken. Der kleine Eisbär mag Donner und Blitz allerdings nicht so gerne und geht bei Gewitter lieber ins Wasser, um Schutz zu suchen.
Einige der Freigehege standen zwar ab und zu unter Wasser, das dann manchmal abgepumpt werden musste. Aber selbst das fanden einige gut: Die regenbegeisterten Elefanten patschen liebend gern durch die Pfützen, während sich die Papageien im Regen das Gefieder waschen."
PROTOKOLL: JES
Ragnar Kühne (44) ist Biologe im Zoo Berlin
Der Obdachlose
"Es war ein wirklich angenehmer Sommer, denn es war nicht zu heiß. Zwar hat es ein paarmal ganz schön geregnet, aber das Zelt, in dem ich zurzeit in Wilmersdorf schlafe, ist noch nicht weggeschwommen.
Seit vier Jahren verkaufe ich die Obdachlosenzeitung Straßenfeger, und immer wenn es so heiß wurde, war die Stimmung und die Kauflust der Leute auf dem Tiefpunkt. Die Hitze macht die Menschen in der Bahn aggressiv und sie wollen nichts mehr kaufen. Aber auch an heißen Tagen wird man bei der Bahnhofsmission mit Essen und Trinken gut versorgt. Zum Glück begegnet mir in einem Sommer bei jedem Wetter menschliche Wärme - an einem sonnigen Tag wurde ich von einem Berliner schon mal auf einen Kaffee eingeladen." PROTOKOLL: JSC
Sven L. (28) ist obdachlos
Der Arzt
"Erfreulicherweise haben die Herzerkrankungen in dieser Saison nicht zugenommen; auch stationäre Aufnahmen gab es nicht häufiger als davor. In heißen Monaten haben wir sonst mit sommertypischen Problemen zu kämpfen: Kreislaufzusammenbrüche, Schwächegefühl und drohende Ohnmacht entstehen meist durch Flüssigkeitsmangel. Es mag sein, dass es davon weniger Fälle gab, ansonsten sind die Herz-Kreislauf-Beschwerden auf dem gleichen Level geblieben." PROTOKOLL: JSC
Dietrich Andresen (58) ist Kardiologe am Vivantes-Klinikum Am Urban
Der Feuerwehrmann
"Gemessen daran, dass die Sommermonate für die Feuerwehr eigentlich zur ruhigen Jahreszeit gehören, hatten wir ganz schön viel zu tun. An manchen Tagen sind wir fast an unsere Grenzen gestoßen. Jedes Mal, wenn wir Unwetter mit Starkregenfällen hatten, mussten wir den Ausnahmezustand ausrufen. Stundenlang mussten vollgelaufene Keller leergepumpt werden. Normalerweise sind 573 Feuerwehrleute im Dienst. Ohne die Unterstützung der 500 Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr hätten wir das nicht geschafft.
Durch die Klimaerwärmung werden wir in Zukunft wohl immer wieder mit Unwetter rechnen müssen. Da kommt einiges auf uns zu."
Hauptbrandmeister Wolfgang Rowenhagen (54) ist Pressesprecher der Berliner Feuerwehr
Der Touristenwerber
"Wir haben diesen Sommer eine sehr gute Besucherbilanz in Berlin zu verzeichnen. So gab es im Juni einen Besucherzuwachs von 20,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahrsmonat. Dabei ist das Wetter für die Touristen aus aller Welt nicht ganz so ausschlaggebend. Die kommen vor allem wegen des enormen Kulturangebots. Berlin hat rund 170 Museen zu bieten. Das sind mehr Museen als die statistische Anzahl an Regentagen." PROTOKOLL: KLAS
Christian Tänzler ist Sprecher der Tourismusmarketing GmbH
Der Meteorologe
"Aus meteorologischer Sicht war es ein ausgesprochen abwechslungsreicher Sommer. Wir hatten alle Hände voll zu tun, weil wir sehr viele Warnungen vor Gewitter und Starkregen herausgeben mussten. Im Sommer 2007 war alles enthalten: extrem heiße Tage mit bis zu 38 Grad, sehr kühle Tage und riesige Mengen Niederschlag, die in ganz kurzer Zeit vom Himmel fielen.
Interessant ist, dass sich die alte Siebenschläferregel einmal wieder bestätigt hat. Diese Regel, die in 60 bis 70 Prozent der Fälle zutrifft, besagt: So wie das Wetter in der letzten Juni- und ersten Juliwoche ist, bleibt es für den Rest des Sommers. Wenn in dieser Zeit ein Tiefdruckgebiet das nächste jagt, haben Leute, die dauernd baden wollen, Pech.
Ansonsten war das Jahr gekennzeichnet von einem extrem trocknen April, in dem in unserer Region so gut wie kein Niederschlag gefallen ist. Der Mai hat das dann mit der doppelten Menge Regen wieder wettgemacht. Auch wenn man es nicht glauben mag: Jeder Monat seit September 2006 war vom langjährigen Klimadurchschnittswert her zu warm. Das habe ich in den 25 Jahren, die ich in diesem Geschäft bin, noch nicht erlebt."
Der Metereologe Georg Kerath (60) ist Leiter des Deutschen Wetterdienstes Potsdam
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