Bilanz zur Winterpause: Breit statt schnell
Auch das 1:1 gegen Augsburg zeigt, dass der Hamburger SV weit davon entfernt ist, modernen Fußball zu spielen. Das Team hat zwar seit dem Trainerwechsel nicht mehr verloren, aber die Defizite sind gleich geblieben.
HAMBURG taz |Es sind nun also 19 Punkte geworden, nach 17 Spielen ist das wenig. Vier Siege, sechs Niederlagen, sieben Remis, eines davon ein 1:1 (0:0) gegen den FC Augsburg vor 48.200 Zuschauern am Samstag im Volkspark.
Von denen pfiffen viele, als das Spiel zu Ende war. Ein paar tausend Fans glauben nicht mehr dran, dass es in absehbarer Zeit besser wird, und bleiben weg. Ein paar tausend Fans, die noch kommen, glauben auch nicht mehr dran.
Zu Beginn der Saison, als der HSV auf den letzten Tabellenplatz stürzte, machte sich Fatalität breit. Es schien so, als ob sich viele, die Rautenmützen und Rautenhandschuhe tragen, mit dem Abstieg abgefunden haben.
Seit Trainer Thorsten Fink Mitte Oktober zum HSV kam, hat die Mannschaft kein Bundesligaspiel verloren. Aber von dem, was gewisse Mannschaften in der Liga spielen, ganz zu schweigen von der Nationalelf und spanischen Clubmannschaften, ist der HSV weit weg.
So weit weg wie vor drei Jahren, vor sechs, vor zehn. Nicht näher rangekommen. Noch immer - mit wenigen Ausnahmen - läuft nur der Spieler, der den Ball hat und die, die unmittelbar um ihn herum sind. Noch immer wird insgesamt zu wenig gelaufen. Noch immer wird der Ball zu lang gehalten. Nun nicht mehr von David Jarolim, sondern von Gökhan Töre, der schneller laufen kann als Jarolim. Langsamer wird Töre von allein.
Noch immer dauert es zu lang, bis der Ball abgespielt wird. Noch immer gibt es Spieler wie Mladen Petric und Heung Min Son, die sich bei der Arbeit gegen den Ball frei nehmen. Noch immer wird in die Breite gespielt, statt nach vorne. Ausnahme: Innenverteidiger Heiko Westermann, der es mit Vertikalpässen versucht. Noch immer fehlt ein defensiver Mittelfeldspieler mit der Fähigkeit, das Spiel zu machen.
Der zentrale defensive Mittelfeldspieler Tomás Rincon lässt sich zwischen die Innenverteidiger zurückfallen, um den Ball dort abzuholen. Er beißt und kämpft, das Spiel machen kann er nicht. Gegen den FC Augsburg, von vielen Experten als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt, wurde wieder mal deutlich, wie leicht der HSV aus dem Konzept zu bringen ist. Je früher der Spielaufbau der Rothosen gestört wird, desto holpriger läuft alles.
Trotzdem hätte der HSV gegen den FCA gewinnen müssen. Fünf große Chancen, doch ein wenig Pech und ein überragender gegnerischer Torwart namens Mohamed Amsif, 22, marokkanischer Nationalspieler, beim FC Schalke 04 ausgebildet, und es reichte nicht. Augsburg hat keine Chance, geht aber in der 63. Minute in Führung. Tobias Werner spielt den langen Torsten Oehrl frei, auf dem nassen Boden wird der Ball schnell, HSV-Torwart Jaroslav Drobny streckt sich vergeblich.
Der Spielverlauf sei "typisch für solche Spiele", meint HSV-Außenverteidiger Dennis Aogo. Er kleidet seine Kritik an Augsburgs Spielweise in den Satz: "Dass einzelne Spieler quer über den Platz in Manndeckung genommen werden, habe ich auch schon lange nicht mehr erlebt." Quer über den Platz verfolgte Lorenzo Davids den kleinen Töre.
"Wir konnten die Führung nicht lange genießen", sagt Augsburgs Trainer Jos Luhukay, der den HSV preist, als wolle er ihn heiraten. Das 1:1 macht Paolo Guerrero, indem er einen Freistoß von Aogo in die Augsburger Kiste köpft. In der 72. Minute kann der HSV das Spiel verlieren, als Daniel Baier allein auf Drobny zuläuft, den Ball aber daneben setzt. Aogo hätte sich "nicht gewundert, wenn man so ein Spiel im Endeffekt verliert".
Marcus Berg, für Petric in der 71. Minute eingewechselt, versucht in der 74. einen Fallrückzieher und wird in der 81. mit Verdacht auf Schlüsselbeinbruch ausgewechselt. Das tut weh.
Trainer Fink ist "mit der Leistung zufrieden, mit dem Ergebnis nicht". Er lobt seine Mannschaft, dabei hängt der HSV auch in diesem Winter im Grau der Tabelle und spielt genau so. Am Mittwoch das Pokalspiel beim VfB Stuttgart, dann Pause bis 22. Januar. Dann zu Gast im Volkspark: Dortmund und das moderne Spiel.
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