Bibliotheksbesuch mit meiner Tochter: Schschschttt!
Zusammen mit meiner Tochter wollte ich „Petterson und Findus“ aus der Stadtbibliothek ausleihen. Aber die Bibliothekarin grätschte dazwischen.
M eine kleine Tochter Hatice schleppt mich wieder in die Stadtbibliothek, um ihr Lieblingsbuch „Petterson und Findus“ vermutlich zum 58.ten Mal auszuleihen. Die Geschichte handelt von einem unglaublich vertrottelten alten Schweden und einer klugscheißerischen türkischen Katze.
Dieser rotzfreche Kater wurde von mir persönlich zum Türken erklärt, um der Geschichte etwas mehr Pep zu verleihen. Hatice ist nämlich von türkischen Katzen begeistert, die in Mülleimern hausen und in Restaurants die Menschen mit ihrem Gejaule so lange nerven, bis sie notgedrungen die Hälfte ihres Essens für sie unter den Tisch fallen lassen.
„Schschschtttt!“, ertönt es plötzlich streng quer durch die ganze Bibliothek. Ich schaue mich verwirrt um.
„Mein Herr, seien Sie bitte etwas leiser! Bedenken Sie doch, dass Sie sich hier in einer öffentlichen Bibliothek befinden“, werde ich von der Bibliothekarin ermahnt.
Eben wurden wir sogar von einem Klempner schief angeguckt, weil Hatice angeblich zu laut war.
„Schschschtttt! Wackeln Sie doch nicht so laut mit dem Stuhl! Die Besucher möchten hier nicht gestört werden!“
Seit wann herrschen denn in dieser Kinderbibliothek so strenge Sitten?
„Hatice, dieses Buch kennst du doch inzwischen rückwärts“, will ich sagen, aber bereits nach der ersten Silbe ertönt wieder ein eisernes „Schschschtttt!“, durch den Raum.
„Was ist denn, Papa?“
„Schschschtttt!“, werden wir wieder von der Bibliothekarin ermahnt, die bis gestern vermutlich im Hochsicherheitstrakt einer JVA tätig war.
Ich bücke mich sehr vorsichtig nach vorne, um Hatice ins Ohr zu flüstern.
Aber keine Chance. Schon wieder hallt ein schneidendes „Schschschtttt!“, durch die Bücherregale.
„Was ist denn, Papa?“
„Schschschtttt!“
Ich gehe mit meiner Tochter in die äußerste Ecke.
„Schschschtttt! Mein Herr, rennen Sie doch nicht so! Vergessen Sie bitte nicht, dass Sie sich in einer öffentlichen Bibliothek befinden!“
„Sie meinen wohl eher im Knast?“, murmele ich genervt.
„Schschschtttt!“
„Wann haben wir denn endlich Freigang?“
„Schschschtttt!“
„Hatice, lass uns sofort nach Hause gehen“, schreibe ich auf einen Zettel und halte ihn meiner Tochter vor die Nase.
Aber kurz vor der Treppe werden wir bei unserem Ausbruchsversuch doch noch von der aufmerksamen Wärterin erwischt.
„Mein Herr, wo wollen Sie denn hin? Erst machen Sie hier einen Höllenlärm, und dann hauen Sie einfach ab, ohne etwas für das arme Kind auszuleihen! Noch egoistischer geht’s ja wohl kaum!“
Ich fass es nicht! Wir dürfen weder bleiben, noch gehen!
„Schschschtttt!“, zische ich diesmal zur Abwechslung. „Wir kommen erst dann wieder hierher, wenn wir die Gebärdensprache gelernt haben und dabei mindestens zwei Stunden lang die Luft anhalten können ohne umzukippen!“
Petterson macht’s genau richtig! Ich hätte mir in Deutschland anstatt Kinder lieber eine Katze zulegen sollen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste