Bibliotheken schränken Service ein: Do-it-yourself-Donnerstag dank Alliteration
In den beiden Häusern der Zentral- und Landesbibliothek müssen NutzerInnen donnerstags für mehrere Monate alleine zurechtkommen.
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Er habe ein Buch in den Freihandregalen nicht finden können, „weil Künstlermonografien offensichtlich nicht durchlaufend alphabetisch geordnet sind. Keiner da, um zu fragen!“ Auch andere NutzerInnen seien „aufgeschmissen und fassungslos“ gewesen. „Das ist wie Schule ohne Lehrer*innen oder wie Auto ohne Benzin“, so Ullrichs Fazit.
Gewarnt worden war er schon beim Betreten der AGB: Aufsteller informieren seit Kurzem über einen „Do-it-yourself-Donnerstag“, den es noch bis zum 10. April geben soll. Klingt erst einmal schick, bedeutet aber, dass an diesen Tagen die BibliothekarInnen an beiden Standorten der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) – der Amerika-Gedenkbibliothek und der Berliner Stadtbibliothek in Mitte – „interne Trainings“ besuchen und nicht das tun können, was sie normalerweise tun: bei der Suche nach Literatur und anderen Medien oder bei den technischen Feinheiten der Ausleihe beraten.
Geschlossen bleiben die Bibliotheken an diesen Tagen dennoch nicht: So wie schon seit einigen Jahren an den Sonntagen sind beide Häuser geöffnet, es gibt die Möglichkeit zur Medien-Ausleihe und -Rückgabe, die ohnehin längst maschinell erfolgen. Auch das AGB-Café bleibt geöffnet und serviert weiterhin Americanos, Brownies und Brezeln.
Jens Ullrich ist trotzdem wütend: „Wie ist es möglich, einen wertvollen Bestand mit Büchern und Medien ohne jede Fachbetreuung zurückzulassen“, fragt er. „An einem Wochentag? Über einen Zeitraum von 14 Wochen?“ Er mutmaßt, dass der wahre Grund Geldmangel oder bevorstehende Entlassungen sein könnten.
Sparen ist nicht der Grund
Dem widerspricht ZLB-Sprecherin Anna Jacobi vehement: Zwar rechne die Zentral- und Landesbibliothek nach aktuellem Stand mit einer schmerzlichen Etatkürzung von 2,2 Millionen Euro – was in Zukunft möglicherweise auch Auswirkungen auf den Service haben könne. Die Fortbildungen, die bis April an den Donnerstagen stattfinden, seien aber beschlossen worden, als vom Sparhammer des Senats noch gar nicht die Rede war.
Und worum geht es nun bei dem MitarbeiterInnen-Training? Intern nennt sich die Fortbildungsmaßnahme „Digitaler Kompetenzsprint“. Die BibliothekarInnen sollen noch vertrauter mit digitalen Angeboten und Inhalten werden – auf ganz unterschiedlichen Niveaus, je nach Wissensstand, den sie mitbringen. Man habe eine Förderung für diese Maßnahme bekommen und nach reiflicher Überlegung entschieden, dass ein einzelner servicefreier Wochentag die beste Lösung sei, sagt ZLB-Sprecherin Anna Jacobi: „Wir wissen, dass das für die NutzerInnen nicht ideal ist, aber es bringt die ganze Bibliothek nach vorne.“
Nur: Musste das Ganze wirklich „Do-it-yourself-Donnerstag“ heißen? Klingt das nicht irgendwie nach „Jetzt kommt halt mal alleine klar“? Die Sprecherin räumt ein, dass Kommunikation immer auch missverstanden werden kann. „Wir fanden das eine charmante Eselsbrücke, um sich den Wochentag zu merken.“ Sprich: Es ging um die Alliteration.
Einen Meta-Gag haben die BibliothekarInnen dann auch noch im Lesesaal der Amerika Gedenkbibliothek versteckt: Auf einer Themeninsel ist inmitten einer Sitzgruppe eine Auswahl an Do-it-yourself-Büchern ausgestellt: von Makramee bis zum glutenfreien Einmachen.
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