Berliner Szenen: Bibelstunde
Es gibt nur einen
Frühstück in einem Kinderladen am Rand der Stadt. Während die Erzieherin in der Küche den Frühstückswagen belädt, versammeln sich die Kinder langsam um den Frühstückstisch. Die fünfjährige Zita blättert in einem Buch mit dem Titel „Biblische Geschichten“; die Zwillinge John und Tom spielen mit ihren Tellern; Lina und Tim, beide drei Jahre alt, unterhalten sich über Körperausscheidungen.
Die Erzieherin betritt den Raum und versucht, für Ruhe zu sorgen. Als sich keine einstellt, spricht sie zuerst Zita an: „Was ist das denn hier? Bibelstunde oder Frühstück?“ – „Bibelstunde“, antwortet Zita ernst. Dann steckt sie ihren Kopf wieder ins Buch. „Na gut“, sagt die Erzieherin, „die machst du dann aber. Erzähl den anderen mal was aus deinem Buch.“
Zita sieht auf und beginnt zu erklären. „Das habe ich von zu Hause gebracht. Das handelt von der Bibel und von dem, was Jehova gemacht hat.“ Die Zwillinge sehen die Erzieherin groß an. „Häh?“, schreit der eine von ihnen. „Wer ist denn Jehova bitte?“, der andere. Zita sieht die beiden Jungs strafend an. „Jehova ist Gott.“ Die Erzieherin ruft scharf: „Nein, ist er nicht!“ Und fügt nach einem Moment des Nachdenkens in etwas milderem Ton hinzu: „Jehova ist Zitas Gott. Früher hatten die Menschen ganz viele Götter.“
Die Kinder, die für einen Moment ganz still und erstaunt zugehört haben, reden nun alle wieder durcheinander. „Jehova ist der einzige Gott!“, ruft Zita. „Götter wie rote und grüne Götterspeisen!“, ruft einer der Zwillinge kichernd.
Die Erzieherin versucht erneut die Oberhand zu bekommen und nimmt den Faden wieder auf. „Ja, ganz viele Götter.“ Sie überlegt. „Einen fürs Wetter, einen fürs Essen ...“ Die beiden Dreijährigen fallen ihr ins Wort. „Ein Gott für Pipi!“, kreischt Lina entzückt und fällt beinahe vom Stuhl vor Lachen. „Und ein Gott für Kacka!“ Eva-Lena Lörzer
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