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Beziehungsgeflecht in prachtvoller Tradition

■ Seit ihrer Gründung 1870/71 machen deutsche Großbanken Industriepolitik

Stahlmoderator hieß er. Seine Aufgabe: die deutsche Stahlindustrie aus ihrer tiefsten Krise zu führen. Beauftragt wurde damit Anfang der achtziger Jahre ein Bankier. Seine Antwort: Die deutsche Stahlindustrie fusioniert zu einem einzigen Konzern.

Im Auftrag der Bundesregierung wies der damalige Deutsche- Bank-Chef Alfred Herrhausen den Weg in den stählernen Weltmarkt. Die meisten Stahlkonzerne und die Dresdner Bank lehnten seinerzeit noch ab. Vor fünf Jahren übernahm Krupp dann mit Hilfe der Deutschen Bank bereits den Hoesch-Konzern. Jetzt könnten die alten Pläne der Deutschen Bank vollends wahr werden.

Im stählernen Hintergrund von Krupp/Thyssen geht es um die steinalte Auseinandersetzung der Großbanken um die (frühere) Schwerindustrie. Fast ein Jahrhundert lang hatte die Dresdner Bank bei Krupp und Thyssen als ungefährdete Hausbank gewirkt. Aber 1966 war es dann die Deutsche Bank, die Krupp vor der Pleite rettete. Krupp-Sanierer wurde Günter Vogelsang – ein Mann der Deutschen Bank. Auch er gehörte später zu den drei Stahlmoderatoren. Deutsche-Bank-Intimus Vogelsang ist heute „Ehrenvorsitzender“ der Thyssen AG.

Seit ihrer Gründung 1870/71 bemühen sich die Großbanken – erfolgreich – um industriellen Einfluß. Neben ihrer Rolle als Kreditgeber und Hausbank helfen Aktienbesitz und Depotstimmen. Ihren markantesten Ausdruck findet die Bankenmacht aber in den personellen Verflechtungen. Dabei geht es nicht allein um die Bankiers in den Aufsichtsräten (bei Thyssen die Großbankiers Cartellieri, Röller und Seipp), sondern vielmehr um die weiteren Aufsichtsratskollegen sowie um die Industrievorstände, die von Kreditinstituten in ihre Bankgremien berufen wurden.

Dieses menschliche Netz beruht auf prachtvoller Tradition, wie Deutsche-Bank-Akten aus den dreißiger und vierziger Jahren beweisen, die in der Potsdamer Außenstelle des Bundesarchivs liegen. Kurt Gossweiler zitiert aus den Akten der Deutschen Bank einen Filialdirektor, der einem Unternehmer erklärt, „mit der Zugehörigkeit zu ihrem Beirat habe die Deutsche Bank ein gewisses Anrecht darauf, den Betroffenen als ,ihren Mann‘ anzusehen“.

Und wo der Zusammenhang zwischen geschäftlichen Beziehungen und menschlichem Netz nicht befriedigte, wurde dies beklagt: In einem Gespräch mit einem Krupp- Repräsentanten ließ der Essener Direktor der Deutschen Bank „unterfliessen, dass unsere Bank es immer als einen Mangel empfunden hätte, dass kein Vertreter der Firma Krupp in unserem Aufsichtsrat sitze“. Damals wirkte noch die alte Verbindung von Krupp zur Dresdner Bank.

Über solche stahlharten Netzwerkkonstruktionen jammert heute schon mal die globale Konkurrenz: „Manche Unternehmen in Deutschland wagen es wegen ihrer Abhängigkeit vom Aufsichtsrat kaum, Geschäfte mit anderen Banken abzuschließen“, klagte Henry Grunfeld, legendärer Präsident der Privatbank S.G. Warburg in London. Aus gutem Grund: Zu den Top 130 aus Industrie, Handel, Dienstleistung und Finanz unterhalten die drei Großbanken zusammen 2.504 personelle Verflechtungen – rund 20 zu jedem großen deutschen Konzern.

Hermannus

Pfeiffer

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