: Bezahlter Terror: Bombe als Einstand
■ Prozeß zum Attentat auf Deutsch Arabische–Gesellschaft vor Berliner Landgericht eröffnet / Angeklagter Hasi beteuert Unschuld Mitangeklagter Salameh bestätigt Sprengstoffbeschaffung durch Syrer / Schwere Vorwürfe gegen Justiz wegen Haftbedingungen
Berlin (taz) - „In Syrien eine schlagkräftige Organisation vorzuführen, nachdem Hindawi in Libyen abgewiesen worden war.“ Darin vermutete der gemeinsam mit Ahmad Hasi wegen des Sprengstoffanschlags auf die Deutsch–Arabische Gesellschaft in Berlin angeklagte Farouk Salameh selbst das Motiv der von Hindawi geplanten Aktion. Beweise für die vermeintliche Israelfreundlichkeit der Gesellschaft, von der Hasi überzeugt war, sei man ihm schuldig geblieben, so Salameh am Montag in der Wiederholung seines Geständnisses vor der 29. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts. Außerdem habe Hindawi, der in London inzwischen wegen eines versuchten Anschlags auf eine „El Al“–Maschine verurteilte Bruder Hasis, es so angeordnet. Als syrischer Verbindungsmann, so will Salameh von Hindawi erfahren haben, habe unter dem Pseudonym Abu Ahmad der Luftwaffenoffizier Haitar Said fungiert. Die Bombe sei nach vorherigem Telefonat von Hasi bei der Syrischen Botschaft in Empfang genommen und nach einer mehrtägigen Zwischenlagerung bei der Gepäckaufgabe auf dem Bahnhof in Ost–Berlin an der Transitautobahnraststätte Michendorf von ihm übernommen und nach Berlin gebracht worden. „Im Namen des Barmherzigen und der arabischen Nation“, so Ahmad Hasi in einem heftigen Ausbruch, wolle er die inhumane Folter anklagen, der er in den letzten Monaten in einem Staat, der sich für demokratisch halte, ausgesetzt gewesen sei. Es würden Stimmen ausgesandt, die ihm in den Kopf eindrängen und zum Selbstmord treiben sollten, so der nach seiner Verhaftung in Einzelhaft gesperrte Hasi. Salameh, vom aufbrausenden Hasi aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, bestätigte: „Um Mitternacht kommen Stimmen aus der Anlage.“ Sieben Monate, so Hasi mit der Faust aufschlagend, säße man zusammengekauert vor Angst in der Zelle. „Ich war bei der Abgabe des Geständnisses betäubt... Es wurde mir Rauschgift ins Essen getan. Fortsetzung auf Seite 2 Wiederholt habe er dem Staatsanwalt, der Anstaltsleitung und dem Vorsitzenden Richter Heinze geschrieben. Hans–Joachim Heinze, der den Empfang der Briefe bestätigte, erklärte, er habe sich daraufhin persönlich in der Zelle von der Nichtexistenz der Stimmen überzeugt und eine Zusammenlegung so wie eine wöchentliche Besuchsmöglichkeit für seine Frau angeordnet. Außerdem habe er einen Psychologen hinzugebeten, der empfohlen habe, Hasi auf seine Verhandlungsfähigkeit hin untersuchen zu lassen. Ein danach hinzugezogener und im Gerichtssaal anwesender Psychiater bezeichnete Hasi nach seinem Eindruck als „mit Pausen verhandlungsfähig“. Eine Diagnose sei ihm nicht möglich gewesen, er glaube aber, Hasi wolle die Sache schnell hinter sich bringen. Hasi weigerte sich, nachdem er erklärt hatte, er sei un schuldig, weitere Stellungnahmen zu seinem Geständnis bei Polizei und Vernehmungsrichter abzugeben, räumte dann aber ein, er habe die Bombe vor die Außenwand der Räume der Gesellschaft gelegt. Ob Menschen dort gewesen seien, habe er nicht gesehen. Die Verlesung des Protokolls von Hasis ersten amtsrichterlichen Vernehmungen im Vorfeld des Prozesses, bestätigte weitgehend die Aussagen Salamehs. Sein Bruder Hindawi habe ihm bei einem Berlinaufenthalt erklärt, daß er einer großen jordanischen Anti– Hussein–Organisation angehöre. Er, Hasi, habe aber den Eindruck gewonnen, daß sein Bruder der Führer der Organisation sei, ihn später dann für einen „Spinner“ gehalten und nicht mehr an eine solche Organisation geglaubt. Beide Aussagen Salamehs und Hasis erstes Geständnis stimmten auch darin überein, mit Hindawi, einem in Italien lebenden Vetter und einem weiteren Freund aus Peine in Libyen zusammengetroffen zu sein und dort Schriften des Revolutionsführers Ghaddafi gelesen und Videos mit Reden des Libyschen Staatschefs gesehen zu haben. Das hätte ihn begeistert. Er habe sich sonst, auch in Deutschland, nie um Politik gekümmert. „Das änderte sich aber in diesem Sommer.“ Nach dem politouristischen Kurztrip von zehn Tagen sei er zurückgeflogen und wieder seiner Ausbildung als Dreher nachgegangen. Mahmmut Gahni, der bereits früher wegen auslaufender Krankschreibung nach Peine zu seiner Arbeitsstelle zurückgewollt habe, sei dies von Hindawi mit den Worten verweigert worden, er sei jetzt Mitglied der Organisation und brauche nicht mehr zu arbeiten. Alle hätten Tripolis „ohne Auftrag“ verlassen. Aber mit 5000 Dollar in der Tasche, die Hasi teilweise an Ghani weitergegeben oder an Hindawi überwiesen habe. (Die Überweisungsquittung lag dem Gericht vor.) Hindawi sei später unglücklich nach Berlin gekommen, um zu berichten, daß er die Libyer nicht von seiner Organisation überzeugen konnte. „Die wollten ihm kein Geld aushändigen“. Später hätten sie noch einmal in Berlin ein Programm erarbeitet, welches Hasi, erneut nach Tripolis gereist, dem Verbindungsmann Alifi vergeblich übergeben habe. Daß auch finanzielle Erwägungen beim Aufbau der Hindawi–Organisation eine Rolle spielten, wurde aus den Aussagen Salamehs deutlich. Er sei von Hasi, mit dem er sich 1979 während einer gemeinsamen Haftzeit angefreundet hatte, zu einem Urlaub in Libyen eingeladen worden. Später seien ihnen 5000 Dollar überreicht worden, die Hindawi aber eingesteckt habe. Eine Dreiviertelmillionen sei ihnen in Aussicht gestellt worden. Im Gegenteil sei er aber von Hasi um 5000.– DM angepumpt worden. Nachdem er dieses Geld nicht zurückbekommen habe, hätte er sich mit dem Versprechen nach Damaskus locken lassen, dort weitere 5000 Dollar sowie seine 5000 DM von Hindawi ausgehändigt zu bekommen. Kuno Kruse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen