Bewertung von Wirtschaftsforschern: Mediale Aufmerksamkeit steigern
Bei früheren Gutachten hatte das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle nicht gut abgeschnitten. Nun darf es weitermachen.
Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), das jetzt von der Leibniz-Spitze evaluiert wurde, wäre ein guter Kandidat für einen solchen Turnaround gewesen: nach dem Versagen der neoklassischen Ökonomie in der Bankenkrise betriebs- und volkswirtschaftliche Forschung einmal ganz anders!
Bei den beiden vorherigen Evaluationen hatte das IWH mit seinen 75 Beschäftigten und einem Budget von 7,8 Millionen Euro jährlich nämlich überhaupt nicht gut abgeschnitten. Gegenüber den großen Geschwistern im Westen, wie dem IfO-Institut in München oder dem DIW in Berlin, produzierte das einzige ostdeutsche Wirtschaftsinstitut nur unterdurchschnittliche Ergebnisse.
Von Schließung oder Eingliederung in eine Universität, vielleicht sogar vom Umzug in die Landeshauptstadt Magdeburg, war die Rede. Die letzte Bewertung 2011 kostete dem langjährigen IWH-Chef Ulrich Blum den Kopf: Er musste gehen.
Seit 2004 leitet Professor Wilhelm Bloch die Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung von molekularen und zellulären Anpassungen auf metabolische und mechanische Reize. Er ist Vorsitzender des Wissenschaftsrats der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention.
Seine Nachfolgerin Claudia Buch packte den Umbau beherzt an, konnte aber nach einjähriger Amtszeit dem Ruf in den Vorstand der Bundesbank nicht widerstehen. Dem Oberthema des Instituts entsprechend, die Transformation der Volkswirtschaften im Osten Europas von der Plan- zur Marktwirtschaft und ihre Integration ins neue Europa zu untersuchen, glich das 1992 gegründete IWH selbst einer ständigen wissenschaftlichen Baustelle.
Underdog-Image
Die Stadtökonomie wurde gestrichen, dafür Finanzökonomie auf den Schild gehoben. An der Spitze der Abteilungen, notierten die Gutachter, herrsche eine „hohe personelle Fluktuation“.
Seit November 2014 leitet der Volkswirt Reint Gropp, zuvor Professor für Bankwesen an der Universität Frankfurt/Main, das Institut. Sein Ziel sei es, eine höhere „wissenschaftliche und mediale Aufmerksamkeit“ zu erreichen, gab Gropp gleich nach Amtsantritt an. „Mit dem Image des „Underdogs“ passt er vielleicht ganz gut zum oft unterschätzten Halle“, kommentierte die örtliche Mitteldeutsche Zeitung.
Bei der jetzigen Wissenschafts-Prüfung der Leibniz-Gemeinschaft bekam das IWH ein überraschend positives Attest. Zwar seien in den kritischen Voten der Jahre 2007 und 2011 die „wissenschaftlichen Leistungen moniert und erhebliche Führungsdefizite am Institut festgestellt“ worden, die eine „konzeptionelle und personelle Erneuerung“ notwendig machten.
Seitdem aber seien „überzeugende Maßnahmen zur Reform des IWH ergriffen worden, die zu deutlichen Verbesserungen“ geführt hätten, heißt es im Evaluationsbericht. Nicht nur die Publikationsleistung habe sich verbessert. Erfreulich sei auch die stärkere Kooperation mit den Hochschulen. Gute Noten erhielten unter anderem das wirtschaftswissenschaftliche Datenzentrum und das neue „Centrum für Evidenzbasierte Politikberatung“, das stärker in die praktische Wirtschaftspolitik der ostdeutschen Bundesländer einwirken will.
Thematische Weiterentwicklung
Unter dem Strich „grünes Licht“ für die weitere Förderung des IWH, das von Bund und Ländern gemeinsam finanziert wird. Die letztliche Entscheidung wird daher die Gemeinsame Wissenschaftskommission (GWK) in ihrer Sitzung am 30. September treffen. Instituts-Chef Gropp äußerte sich erleichtert. „Besonders freut mich, dass die thematische Weiterentwicklung des Instituts von der Bewertungsgruppe vollumfänglich unterstützt wird“, kommentierte der IWH-Präsident.
Konsequent verfolgt Gropp die Strategie, auch in der „Aufmerksamkeitsökonomie“ Punkte zu sammeln. Vor wenigen Wochen machte das IWH Schlagzeilen mit einer Berechnung, wonach der deutsche Staatshaushalt durch die Zinssituation letztlich von der Griechenland-Krise profitiere.
„Milchmädchenrechnung“, war die Reaktion aus der Fachwelt, weil der Zinsverlust auf Seiten der Sparer nicht berücksichtig werde. Auch die taz schrieb über die Hallenser Zahlen: „Richtig, aber eben auch verkürzt“. Das Medien-Echo jedenfalls war kollosal.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!