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Bewegungstermine in BerlinGegen den autoritären Staatsumbau

Der Auslieferung von Maja T. zeigt, wie der Rechtsstaat immer mehr zum rechten Staat wird. An­ti­fas müssen auch gegen diese Entwicklung kämpfen.

Wird nicht aufgepasst, frisst die Polizei die Grundrechte weg Foto: IMAGO / Moritz Schlenk

W elch bedrohliche Monstranz das staatliche Institutionssystem darstellen kann, hat wieder einmal die Auslieferung von Maja T., Thüringer Antifaschist:in, bewiesen. Am vergangenen Donnerstag hatte das Berliner Kammergericht Majas Auslieferung stattgegeben – und die Behörden wurden sofort aktiv: Noch in der Nacht kooperierten die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, die JVA Dresden, das sächsische LKA, österreichische und ungarische Behörden in ungewohnter Präzision und Schnelligkeit, um Maja T. über die Grenze nach Ungarn zu schaffen.

Alles deutet darauf hin, dass Maja T. so der Rechtsweg verwehrt werden sollte. Die Anwälte reichten dennoch eine Eilbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Dieses erließ am Freitagvormittag die Anordnung, dass die Auslieferung sofort zu unterlassen sei, bis über den Eilantrag entschieden wurde. Doch da war es schon zu spät: Maja T. war bereits im queerfeindlichen, autoritär geführten Ungarn, wo ihr eine Kakerlaken-infizierte Gefängniszelle, queerfeindliche Diskriminierung und ein politisch gesteuerter Prozess droht, der für Maja T. astronomische 24 Jahre Haft bedeuten könnte.

Das Bedrohliche dieses Vorgangs ist unter anderem das Maß an „Eigeninitiative“, das die Behörden an den Tag gelegt haben. Viele Leute hängen ja noch einer liberalen Vorstellung vom Staat nach, in der Justitia blind ist und die Gewalt der polizeilichen Institutionen durch den Rechtsstaat begrenzt wird. In dieser Vorstellung setzt der Staat nur um, was das Gesetz erfordert, er ist politisch neutral und kennt keine Emotionen, besonders keine Rache- oder Strafgelüste. Doch plötzlich biegen und dehnen staatliche Stellen das Recht, augenscheinlich nur, um Maja T. größtmöglich zu schaden. Das sollte je­de:r als Bedrohung empfinden – und zwar unabhängig davon, ob man militanten Antifaschismus gutheißt oder nicht.

Die Erosion des Rechtsstaats

Erschwerend kommt hinzu, dass die Auslieferung kein isoliertes Ereignis ist, sondern sich in die breitere Erosion des Rechtsstaates einreiht. Der Politikwissenschaftler Maximilian Pichl hat in seinem Buch Law statt Order umfassend dargelegt, wie rechte Kräfte an einer Umdeutung des Begriffes arbeiten. Nach Pichl wird die liberale Idee der Begrenzung staatlicher Macht zunehmend vom Ruf nach der „Härte des Rechtsstaates“ verdrängt. Der „Rechtsstaat“ wird so zu einem Begriff, der hartes polizeiliches Durchgreifen legitimiert – statt dieses zu begrenzen.

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Europäische Grenz­schüt­ze­r:in­nen sollen keine Asylsuchenden reinlassen, also führen sie halt Pushbacks durch und werfen Mi­gran­t:in­nen ins Meer – who cares, außer ein paar versprengte linke Gutmenschen? Wer regt sich noch über Schmerzgriffe gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen auf, wer hinterfragt noch, dass die Letzte Generation in den Präventivknast gesteckt wurde – wenn es sich doch um Terroristen handelte? Glaubt wirklich noch eine:r, dass es Konsequenzen gibt, weil die Polizei den Palästina-Kongress (immerhin Feindbild der „Staatsräson“ par excellence) unter scheinheiliger Begründung gestürmt und verboten hat?

Immer häufiger scheint polizeiliche Gewalt mit politischer Motivation angewendet zu werden – während Rechtsbrüche der Exekutive im Umkehrschluss zumindest toleriert werden. Das ist der politische Kontext der Auslieferung von Maja T.: Ein Staat, der von bürgerlichen Parteien autoritär getrimmt wird, noch bevor die AfD in einem Bundesland die Macht übernimmt. Um gegen die Auslieferung von Maja T. auf die Straße zu gehen, findet am Freitag (5. 7.) um 19 Uhr am Lausitzer Platz eine Demo statt.

Für Umverteilung, gegen Faschismus

Ein weiteres Mittel des autoritären Staatsumbaus sind Kürzungen für unliebsame Initiativen. Gerade steht Wissenschaftsministerin Stark-Watzinger in der Kritik, weil ihr Ministerium unbequemen Wis­sen­schaft­le­r:in­nen die Gelder streichen wollte. Aber auch in Berlin gibt es Beispiele: Weil sich zwei leitende Mit­ar­bei­te­r:in­nen des Vereins „Frieda“ antisemitisch geäußert haben sollen, wurde gleich dem ganzen Verein gekündigt, der zwei Mädchen- und Frauentreffs betreibt.

Konsequenzen für Antisemitismus sind natürlich berechtigt. Aber der Verdacht liegt nahe, dass hier auf dem Rücken von queeren und migrantischen Kids auch ein Kampf gegen die migrantische Selbstorganisation und die Palästinabewegung insgesamt geführt wird. Dagegen findet am Donnerstag (4. 7.) eine Migrantifa-Kundgebung unter dem Motto „KHALAS – Wir ziehen nicht den Kürzeren!“ statt. Treffpunkt für die Kundgebung ist um 17 Uhr am Bezirksamt Yorckstraße.

Wie soziale Arbeit dem Rechtsruck entgegenwirken kann, will eine Veranstaltung vom Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit erörtern. Gefragt werden soll etwa, wie sozialarbeiterische Räume antifaschistisch geschützt werden können – und was es heißt, sich in diesem Beruf politisch zu positionieren. Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus wird einen Input halten, anschließend darf sich über Erfahrungen ausgetauscht werden (Mittwoch, 3. 7., Museum des Kapitalismus, Köpenicker Str. 172, 19 Uhr).

„Sich fügen, heißt lügen!“

Eine historische Perspektive bietet die Fachtagung „Sich fügen, heißt lügen!“, die sich noch bis Sonntag mit dem Wirken des anarchistischen Schriftstellers Erich Mühsam in Oranienburg beschäftigt. Mühsam, Revolutionär der Münchener Räterepublik, setzte sich in der Weimarer Republik unter anderem als Teil der Roten Hilfe für politische Gefangene ein. 1934 wurde er von der SS im KZ Oranienburg ermordet. Am Donnerstag (4. 7.) findet eine Führung über das ehemalige KZ-Gelände Sachsenhausen statt (Treffpunkt Besucherzentrum, 15 Uhr). Am Samstag läuft eine Gedenkdemonstration (6. 7., Bahnhofsvorplatz, 15 Uhr).

Sich gegen die Law-and-Order-Logik stellen, kann auch Spaß machen! Am Samstag findet das Görli Jam Fest 2024 statt, wo zu Reggae und Dancehall getanzt werden darf. Mit auf dem Programm steht natürlich auch: der drohende Zaunwahnsinn aus dem Hause Wegner und die nächtliche Schließung des Parks. Darüber soll sich gemeinsam ausgetauscht werden – ohne dass Spiel, Spaß, Essen und Trinken in den Hintergrund geraten (6. 7., Görlitzer Park, 15 – 22 Uhr).

Letztlich wird Antifaschismus aber immer heißen: gegen Nazis vorzugehen. Seit geraumer Zeit gilt Marzahn-Hellersdorf als Hotspot der braunen Brut, auch die AfD ist hier besonders stark. Die neonazistische Kleinstpartei „III. Weg“ hat laut der örtlichen Antifa bereits mehrfach das linksalternative Hausprojekt AJZ Kita und das Veranstaltungsprojekt La Casa angegriffen. Versucht würde, ein „Klima der Angst“ für Antifas, Mi­gran­t:in­nen und Queers zu schaffen. Dagegen hilft nur eins: Geeinter antifaschistischer Widerstand, den die Antifa-Demo „Nach den Rechten schauen“ schaffen will (Samstag, 6. 7., S Kaulsdorf, 17 Uhr).

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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