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Bewegungstermine in BerlinKeine Kapitalanlage sein

Die Verwertung von Städten produziert Reichtum und Elend zugleich. Doch europaweit gehen Mie­te­r:in­nen dagegen auf die Straße.

Wenn sie keine Mietwohnung finden, dann sollen sie doch eine kaufen! Foto: imago / epd

D ie Verwertung einer Stadt hat ganz unterschiedliche Facetten. Einmal ist da die architektonische Seite des Prozesses. Die Graffitis verschwinden, die Häuserfassaden werden saniert, überall sprießen diese seelenlosen Betontempel der Hässlichkeit aus dem Boden, die an jedem Ort in dieser Welt gleich aussehen. Dann sind da die neuen Menschen, die plötzlich durch die Kieze flanieren und dabei Outfits tragen, die Beträge kosten, mit denen eine typische Berliner Familie durch den Monat kommen würde. Im öffentlichen Raum muss man plötzlich immer mehr Gesprächen zuhören, in denen es nur ums Geldmachen geht.

Die Logik des Kapitals beginnt das Stadtbild zu prägen. Doch das Kapital kann nicht einmal auf seine hässliche Art schöpferisch sein, ohne gleichzeitig menschliches Leid zu produzieren. Dies ist die andere Seite des Prozesses, die sich meist hinter geschlossenen Türen, abseits der Öffentlichkeit, abspielt: Die Angst vor dem Briefkasten, sie ist nicht sichtbar. Die alten Leute verschwinden oft schweigend. Die Zerstörung der jahrzehntelang gewachsenen Kiezstrukturen, sie geschieht nicht auf einen Schlag, sondern ist ein schleichender Prozess. Die Verdrängung von Obdachlosigkeit aus dem öffentlichen Blickfeld ist eine Wissenschaft für sich geworden.

Doch so unterschiedlich die Facetten der Verwertung sind, das Kapital reproduziert diese Muster mit angsteinflößender Verlässlichkeit, egal wo es wirkt. Berlin ist kein Einzelfall, auch wenn es den Ber­li­ne­r:in­nen oft so scheint. In Lissabon machen Mieten laut Ak­ti­vis­t:in­nen inzwischen 63 Prozent des Durchschnittseinkommens aus, in Schweden wird Mi­gran­t:in­nen der Zugang zu Sozialwohnungen verwehrt. In Paris werden die Menschen auf die Straße gesetzt, während sich die Stadt für die Olympischen Spiele aufpoliert.

Zurecht versuchen die Mie­ten­ak­ti­vis­t:in­nen der European Action Coalition deshalb bereits zum vierten Mal, den Widerstand gegen diese Prozesse zu transnationalisieren. Bereits seit einigen Tage, aber noch bis zum Sonntag, den 7. April, finden im Rahmen der Housing Action Days europaweit Proteste und Aktionen statt, um die Gewalt der Gentrifizierung in die Öffentlichkeit zu zerren und die Verzweiflung der Gentrifizierten in Wut zu kanalisieren. Allein in Berlin sind laut Aktionskarte 17 Veranstaltungen geplant, die auf verschiedene Facetten des Problems hinweisen.

In die Problemviertel des Grunewalds

Eine Art, wie sich die Gewalt der Verwertung konkret materialisiert, sind beispielsweise Eigenbedarfskündigungen. Trudelt ein solcher Brief ein, schwinden die Freuden des Lebens schnell dahin. Alles dreht sich plötzlich um die Wohnung, denn angesichts des Mangels an Alternativen steht die Existenz auf dem Spiel. Schlimmstenfalls führt der Brief zur Unterbringung in Notquartieren oder dem Leben auf der Straße. Zu den Profiteuren dieser Gewalt gehören auch Anwaltskanzleien, die sich auf Verdrängung spezialisiert haben. Gegen diese Menschen wollen Ak­ti­vis­t:in­nen unter dem Motto „Gemeinsam gegen Eigenbedarfskündigung“ im schicken Charlottenburg ihre Stimme erheben (Donnerstag, 4. 4., Hardenbergstr. 19, 17 Uhr).

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Die erfahrenen Villen-Crasher:innen hinter der jährlichen My Gruni-Demo am 1. Mai laden derweil auf die Insel Schwanenwerder, wo sich die Superreichen Berlins eine Parallelwelt aufgebaut haben. Doch die exklusivste der exklusiven Wohngegenden hat, was man in der Branche so schön als „Entwicklungspotenzial“ bezeichnet. Denn wo wäre ein besserer Platz für Nachverdichtung als hier, wo die Wohnfläche pro Kopf doch so lächerlich hoch ist? Geplant ist ein frühlingshafter Waldspaziergang und Anbaden an den noch zu vergesellschaftenden Privatstränden – in Vorbereitung für den kommenden 1. Mai (Samstag, 6. 4., Startpunkt S-Bahnhof Nikolassee, 12 Uhr).

Leider sieht der Berliner Senat die Sache ein wenig anders. Für Bebauung weichen sollen nicht die Gärten der Reichen, sondern die Parks für den Pöbel. Dafür haben CDU und SPD auch keine Probleme, sich mal wieder über einen Volksentscheid hinweg zu setzen. Unter dem perfiden Vorwand, Einrichtungen für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld zu schaffen, soll das Tempelhofer-Feld-Gesetz ausgehöhlt werden – die Vermutung liegt nahe, dass so einer Bebauung der Weg geebnet werden soll. Linksjugend und die Initiative 100% Tempelhofer Feld laden zu einer Kundgebung unabhängig der Housing Action Days ein, um sich zu beraten, was zu tun ist (Mittwoch, 3. 4., S + U-Bahnhof Tempelhof, 18 Uhr).

Großdemo „Die Miete ist zu hoch“ im Juni

Rixdorfer Nach­ba­r:in­nen der Mie­te­r*in­nen­ge­werk­schaft Neukölln und der Kiezversammlung44 wollen ein öffentliches Dokument zusammenstellen, aus welchem ersichtlich wird, wem welches Haus gehört, wie es Mie­te­r:in­nen dort geht und ob demnächst mit Eigenbedarfskündigungen oder Entmietungen gerechnet werden muss – ein DIY-Mieterkataster. Zusammengetragen werden sollen die Infos durch Haustürgespräche. Treffpunkt hierfür ist am Samstag (6. 4.) um 14 Uhr am Biergarten „Traumeck“ am Hertzbergplatz.

Gegen Amazon und die Gentrifizierung des Friedrichshainer Südkiezes geht es auf einer Demo der Initiative Berlin vs. Amazon. Denn der Südkiez ist einer Hotspots dieser sogenannten „Aufwertung“, die doch eigentlich nur die Verdrängung von Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen meint. Ein Katalysator dieser Entwicklung ist der an den Kiez angrenzende Betonklotz eines gewissen monopolistischen Großkonzerns. Dagegen gilt es, laut auf die Straße zu gehen: Mit kräftigen Stimmen, Töpfen, Pfannen und Instrumenten aller Art (Samstag, 6. 4., Revaler Str./ Ecke Simon-Dach-Str., 15 Uhr).

Die Mie­te­r:in­nen­in­itia­ti­ve Stopp Heimstaden ruft derweil zu einer Kundgebung gegen fehlerhafte Mieterhöhungen, exorbitante Nebenkostenabrechnungen, den Verkauf von Eigentumswohnungen und die Aktienrente auf. Auf die Straße gegangen werden soll für einen bundesweiten Mietendeckel, einen Nachzahlungsstopp bei verspäteten Nebenkostenabrechnungen und vollständige Belegeinsicht sowie für eine neue Wohngemeinnützigkeit. Los geht es am Samstag (6. 4.) um 15 Uhr am Erkelenzdamm 11-13 in Kreuzberg.

Die Housing Action Days sind auch eine Vorbereitung für die Großdemo „Die Miete ist zu hoch“ am 1. Juni. Im Kiezanker in Kreuzberg (Cuvrysztraße 13-14) findet am Sonntag (7. 4., 14 Uhr) ein gemeinsames Basteln von Plakaten und Transparenten statt. Es wird Material vorhanden sein, mehr Farbe, Pinsel, Pappen und Stöcke können allerdings gerne mitgebracht werden. In Neukölln findet am selben Tag um 15 Uhr auch noch ein Planungstreffen für Chöre statt, um Lieder einzuproben, die auf der Demo gemeinsam mit allen anderen Demonstrierenden gesungen werden können. Das Treffen findet im Kiezladen154 auf der Sonnenallee 154 statt.

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.

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