Betrug in der Wissenschaft: „Summa cum fraude“

Ein Forschungsprojekt an der Uni in Saarbrücken untersucht Mechanismen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Die Zwischenbilanz.

Universität Saabrücken

Uni Saarbrücken: Forschungsgruppe untersucht Mechanismen wissenschaftlichen Fehlverhaltens Foto: BeckerBredel/imago

BERLIN taz | „Summa cum laude“ gilt als die Bestnote für eine wissenschaftliche Doktorarbeit: „mit höchstem Lob“. Für das inoffizielle Gegenstück, nämlich eine Wissenschaftspublikation mit gefälschtem Inhalt, hat eine Forschergruppe der Universität des Saarlandes den Begriff „Summa cum fraude“ geprägt, vom englischen Wort für Betrug „fraud“. Die Gruppe untersucht in einem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Mechanismen wissenschaftlichen Fehlverhaltens und arbeitet am „Versuch einer Gegenoffensive“. Die ist dringender denn je, zeigte sich bei einer ersten Zwischenbilanz in dieser Woche.

Für den Experimentalphysiker Frank Müller ist das Fazit nach einem knappen Jahr ernüchternd. „Wenn ich stichprobenartig Publikationen aus wissenschaftlichen Datenbanken nach bestimmten Auswahlkriterien heraussuche, komme ich auf einen Anteil von 33 bis 40 Prozent von Artikeln, die mit gefälschten Daten arbeiten“, stellt Müller fest.

Bei Durchsicht mehrerer hundert Veröffentlichungen mit spektroskopischen Messungen war Müller aufgefallen, dass in einigen Arbeiten „immer wieder exakt dieselben Messdaten auftauchten, was am immer identischen Untergrundrauschen erkennbar war“. Gehäuft traten diese Fälle von „Fake ­Science“ nach dem bisherigen Ermittlungsstand der Forscher in Publikationen aus Indien und China auf.

Als Müller die Journale auf den Fehler hinwies, kam es zu unterschiedlichen Reaktionen. Beliebt war die Antwort, dass ein studentischer Mitarbeiter die Daten fehlerhaft verarbeitet habe. Einige zogen den Artikel zurück, während andere mit „Schulterzucken“ reagierten.

Die Fälschungsfälle sind keine singulären Ausrutscher. In einem wissenschaftlichen Publikationswesen, das nach der Devise „publish or perish“ („veröffentliche oder geh unter“) funktioniert, steigt die Zahl der Missbrauchsfälle mit dem härter werdenden Konkurrenzkampf.

Prämie für Publikation

Zugleich ist immer mehr Geld im Spiel. In China werden wissenschaftliche Publikationen mit Prämien belohnt, berichtet die Saarbrücker Gruppe. „Je höher der Impact Factor, der Wert, der das Renommee einer Zeitschrift wiedergibt, desto mehr Prämie fließt an den Erstautor.“ Im Falle der führenden Forschungsjournale wie Science oder Nature kann sich das zu einer Prämie bis zu 150.000 Dollar auswachsen.

Welche Gegenmaßnahmen sind geboten? In der Wissenschaft dürfe nicht mehr nur die Zahl veröffentlichter Paper als zentrale Reputationsgröße gelten. Die DFG hat bei ihren Anträgen inzwischen ein Limit von 10 Nennungen eingeführt. Zudem müssten „grundsätzlich mit jeder Veröffentlichung auch immer gleich die Rohdaten mitgeliefert werden“, merkt Karin Jacobs vom Projekt „Summa cum fraude“ an. Schließlich sollten die Zeitschriften vermehrt gefälschte Artikel zurückziehen und dies als einen positiven „Reinigungsprozess“ verstehen.

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