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Betriebe sterben reihenweise

Sachsens kollabierender Mittelstand ruft vergebens nach Hilfe vom Staat. Bauindustrie will Tarifkompromiß „nachverhandeln“  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Die sächsische Industrie produziert vor allem Schlagzeilen. Jedes zweite Bauunternehmen im Freistaat ist nach Einschätzung des Sächsischen Bauindustrieverbandes „akut gefährdet“. Verbandspräsident Frieder Sieber befürchtet, daß „40 Prozent dieses Jahr nicht überleben“. Jeder fünfte Bauarbeiter ist schon heute ohne Job. Das Land bräuchte im verarbeitenden Gewerbe doppelt so viele Arbeitsplätze, wie derzeit vorhanden sind.

Friedemann Tiedt, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD- Landtagsfraktion, zählt „30 Fälle auf der Intensivstation und 100 auf der Krankenstation des Wirtschaftsministeriums“. Vor allem im strukturschwachen Erzgebirge kippen Firmen wie Dominosteine. Am 30. April läuft beim Kühlschrankhersteller Foron die Uhr ab. Falls bis dahin kein Investor gefunden wurde, wird der Laden dichtgemacht. IG-Metall-Bezirksleiter Hasso Düvel sieht Sachsen auf dem Weg vom „wirtschaftspolitischen Vorzeigeland im Osten zur roten Laterne“. Die Regierung schwadroniere mit Vertretern milliardenschwerer Großprojekte wie der Leipziger Messe und der Ansiedlung von Siemens in Dresden, während der einheimische Mittelstand zusammenbreche. Dennoch behielt Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) recht, als er eine von der SPD beantragte und mit Hilfe der PDS durchgesetzte Sonderdebatte zur Wirtschaftssituation in Sachsen für überflüssig erklärte.

Zwischen dem „Weiter so“ der Landesregierung und dem von der SPD-Fraktion aufgeregt entworfenen „Sofortprogramm zur Rettung der privatisierten Industriebetriebe“ standen die angeschlagenen Firmen wie zwischen Baum und Borke. 400 Millionen Mark sollte das SPD-Rezept kosten: Ein Beteiligungsfonds für sanierungsfähige Unternehmen und die Förderung von Neugründungen und für Managementhilfe sind vorgeschlagen. Doch es kommt, so Biedenkopfs Ansicht, nicht darauf an, Geld bereitzustellen, „sondern darauf, es intelligent auszugeben“.

Schuldzuweisungen in verschiedene Richtungen

Damit hat er die Schuld an den Firmenpleiten diesen Firmen selbst und ihrem Management zugewiesen. In Sachsen fehle es an Führungs-Know-how, Motivierung der Belegschaften und EDV- Durchdringung der Arbeit. Ein Gutachten über die Situation in 40 sächsischen Firmen kommt zu eben diesem Schluß. Wo DGB- Landeschef Hanjo Lucassen von einer „tiefen Krise“ spricht, schönwettert Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) nach wie vor von Einzelbeispielen. Für diese müßte nun vor allem die Treuhand-Nachfolgerin BvS geradestehen. Schließlich habe sie die Fehler bei der Privatisierung zu verantworten.

Notgeld zur Rettung von Sterbefällen wird die Biedenkopf-Regierung jedenfalls nicht bereitstellen. Lediglich eine Aufstockung des Konsolidierungsfonds bei der Sächsischen Aufbaubank um 10 auf 35 Millionen Mark soll den Zulieferern von Unternehmen in Gesamtvollstreckung helfen. Die Wirtschaft brauche keinen „Staat als Unternehmer“, sondern eine Steuerreform, so Schommer. Im Rahmen der bestehenden Fonds will er jetzt den vom langen Winter gezeichneten Baufirmen mit Finanzspritzen wieder aufhelfen.

Die drohende Entlassung Tausender Bauleute wird sie damit nicht verhindern. Nachdem am Mittwoch die Mehrheit der (west)deutschen Baugewerbe- und Bauindustrieverbände sowie die Gewerkschaft dem Tarifkompromiß in der Bauindustrie zugestimmt hat, fordern Sachsens Bauunternehmer dagegen „Nachverhandlungen“.

Hauptgeschäftsführer Rolf Zimmermann kritisierte den Schlichtungsspruch auf dem Sächsischen Bautag in Dresden als „anachronistische Tarifpolitik“, die weitere Bauarbeiterplätze kosten werde. „Auf jeden Fall“ müsse nach dem Schlichtungskompromiß weiter über Öffnungsklauseln verhandelt werden.

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