: Betr.: Schwarz-Grüne Regierungskoalition in Bremen
taz: Noch flirtet die CDU mit den Grünen, nicht umgekehrt. Wie finden die Grünen denn das?
Fries: Die Stimmung der Jungen Grünen ist sehr skeptisch. Das sind fast alles Leute, die Jahr für Jahr ein immer größeres Bildungs-Chaos erleben mussten. Jede Partei der großen Koalition hatte ihr Steckenpferdchen. Aber die Perspektive auf das große Ganze des Schulsystems ging verloren. Und die Punkte, die am schmerzhaftesten sind, sind von der CDU durchgesetzt worden. Warum sollen die jetzt unser neuer Traumpartner sein?
Wir haben mit der CDU erlebt, dass sinnvolle Reformvorhaben wie das neue Staatsbürgerschaftsrecht am platten Populismus der CDU gescheitert sind. Oder dass in Bremen Abschiebehäftlinge nur lebenserhaltende Maßnahmen bekommen. Da gibt es viele kleine Schweinereien, die ich an keinem Wahlstand vertreten kann und möchte.
taz: Gibt es denn in der Drogenpolitik, Asyl- und Innenpolitik aus CDU-Sicht eine Chance auf Verständigung?
Rohmeyer: Wir haben uns mit den Sozialdemokraten verständigt, also ist es möglich sich mit fast jedem zu verständigen. Ich sehe Gemeinsamkeiten in der Mittelstandspolitik. Bei den Großprojekten gibt es Differenzen. Es gibt Gemeinsamkeiten in Teilen der Baupolitik. In Teilen nicht. Zum Beispiel beim Hollerland, eine saure Wiese neben der Autobahn. Man muss doch auch den Schutz der Menschen im Auge haben: Jetzt müssen in Schwachhausen die Kleingärtner weichen, wegen eines Fisches, den kaum einer gesehen hat.
Fries: Die große Koalition hat die Stadt nicht für die Menschen, die hier wohnen, sondern für Wirtschaft und Touristen attraktiv gemacht haben wollen. Das Hollerland muss man nicht nur unter dem Gesichtspunkt Schlammpeitzger, sondern unter dem Gesichtspunkt Naherholung sehen. Die Lebensqualität schwindet Stück für Stück.
Wenn die acht Jahre große Koalition vorbei sind werden wir weniger Einwohner, mehr Schulden, ein finanziell bankrottes Musical, eine Investitionsruine Space-Park haben, und ich kann diese Liste weiter fortführen. Deshalb brauche ich keinen CDU-Senator in einem Senat.
Rohmeyer: Das Musical ist deutlich günstiger für den Staat als das Goethe-Theater ...
Fries: Und zur Baupolitik: Durch den Großmarkt ist doch jede Entwicklungsperspektive am Hafen verbaut. Wohnen am Wasser ist nicht.
Rohmeyer: Wir wollen das – auf dem Stadtwerder.
Fries: Und noch mehr Naherholungsgebiete kaputt machen. Na danke.
taz: Spricht also doch vieles für eine Neuauflage der großen Koalition?
Rohmeyer: Das will ich nicht verhindern, weil die große Koalition ganz erfolgreich arbeitet. Es gibt nur eine immer größer werdende Kluft zwischen Scherf und der SPD-Fraktion. Scherf wird große Schwierigkeiten bekommen, wenn er 2003 noch einmal mit der Koalitionsaussage „Ich brauch die Schwarzen“ in den Wahlkampf zieht. Die SPD hat keinen Ersatz für Henning Scherf. Und die SPD hat demokratische Defizite. Unter diesen Gesichtspunkten müsste so eine Partei auch mal in die Opposition.
Fries: Für uns kann Regieren um jeden Preis nicht das Ziel sein. Die Zukunftsentscheidungen sind von der großen Koalition getroffen worden, eigentlich müssen die die Suppen auch auslöffeln. Aber es geht auch um die Menschen in dieser Stadt. Deswegen müssen die Grünen ihre Konzepte umsetzen. Wir können ganz entspannt in den Wahlkampf gehen und zeigen, dass wir für den Scheiß nicht verantwortlich sind.
taz: Wer hat sich denn nun verändert – die Grünen oder die CDU?
Fries: Vermutlich beide. Aber ich weiß ja gar nicht, ob die Gespräche der CDU mit den Grünen nicht nur Taktik sind.
Rohmeyer: Die Grünen sind keine linke Partei mehr. Also muss man nach der nächsten Wahl mal gucken, wie sind die Ergebnisse. Ist es möglich, eine andere Politik für Bremen zu machen, um die Sozialdemokraten nach über 50 Jahren in die Opposition zu schicken.
taz: Droht Gefahr, dass auch die CDU Stimmen einbüßt?
Rohmeyer: Ich habe in den letzten Wochen noch keinen Aufschrei gehört. hey
Fragen: Dorothee Krumpipe
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