: Betr.: Nigeria
Nigerias politische Krise, verursacht durch die Weigerung des Militärdiktators Ibrahim Babangida, die Macht an den im Juni von der Bevölkerung zum Präsidenten gewählten Moshood Abiola zu übertragen, hat eine geradezu geniale Lösung erfahren: Das Land hat ab sofort überhaupt keinen Präsidenten mehr. Babangida trat am Donnerstag abend als Staatsoberhaupt zurück, ohne einen Nachfolger zu ernennen. Statt dessen wurde allen Ernstes der schon seit Jahresbeginn amtierende Ministerpräsident Ernest Shonekan erneut als Ministerpräsident vereidigt – er führt die aus Zivilisten und Soldaten bestehende „Interimsregierung“ an, die Nigeria jetzt bis auf weiteres regiert. „Faktisch“, so von Nachrichtenagenturen wiedergegebene Beobachter, übe Shonekan – ein Unternehmer, der noch Ende 1992 erklärt hatte, er verstünde nichts von Politik – nun wohl auch die jetzt vakanten Ämter des Präsidenten und des Oberbefehlshabers der Streitkräfte aus. Babangida, der diese beiden Ämter losgeworden ist, zog sich gestern in seinen Heimatort Minna im Norden des Landes zurück. Justizminister Clement Akpamgbo behauptete, die „Interimsregierung“ werde bis März 1994 einer gewählten Regierung Platz machen. – Der Machtwechsel, der keiner ist, ließ die Nigerianer kalt. Der seit Mittwoch andauernde Generalstreik in der Metropole Lagos ging gestern weiter. Während die beiden zugelassenen politischen Parteien NRC und SDP die neue „Interimsregierung“ begrüßten, rief die in der „Kampagne für Demokratie“ zusammengeschlossene demokratische Opposition die Nigerianer zu Protestaktionen auf. Der gewählte Präsident Moshood Abiola sagte in London, er werde nächste Woche nach Nigeria zurückkehren und eine Gegenregierung bilden.
Siehe auch Seite 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen