die stimme der kritik: Betr.: Fischers Afrikareise
HUMANITÄRER EINSATZ
Kritiker von Joschka/Joseph Fischer warnen ja: Der psychische Zustand des Grünen sei prekär. Der Mann hält am Tag fünfzehn Ansprachen, verbringt 25 Stunden im Flugzeug, bereist acht Kontinente und scheint von seiner Aufgabe, den deutschen Außenkasper zu machen, derart überfordert zu sein, dass sein immer etwas überspanntes und reichlich opernhaft anmutendes Grimassenspiel mittlerweile vollends außer Kontrolle zu geraten scheint. Er rudert mit den Armen und fächelt mit den Händen. Kurz: Er wirkt wie ein ganz unglaubwürdiger Sektenfredi, dem die Anhänger abhanden kommen. Seine Stimme hat immer öfter den hohen und gereizten Fistelton des Gedeckelten und beiseite Geschobenen. Die Wichtigkeit seines hochbedeutenden Amtes lässt ihn bei den albernsten Gelegenheiten die Augenbrauen nach oben reißen wie weiland der geschätzte Louis de Funes.
Doch nicht nur deshalb könnte die eben begonnene Afrikareise des deutschen Außenministers verheerende Folgen haben. Nicht auszuschließen ist, dass er auf diesem von zahllosen Bürgerkriegen heimgesuchten Kontinent Menschenrechtsverletzungen ausmachen könnte, Flüchtlingsströme entdeckt und am Ende auf Massengräber stößt. Und was das bedeutet, weiß seit dem Kosovo jeder: totaler humanitärer Einsatz ohne jede Rücksicht auf Busse und Bahnen.
Aber weit gefehlt! Fischer geht es diesmal ausnahmsweise um etwas ganz anderes. Denn Afrika, das ist zuallererst der Kontinent der Langstreckenläufer und der länderübergreifenden Hungerkuren. Fischers Utopia. Nirgendwo anders auf der Welt dürfte sich Joschka Fischer so zu Hause fühlen wie hier, wo Gleichgesinnte leben, die laufen und hungern, abnehmen, rennen, zu sich kommen. Gerade jetzt in Mosambik beispielsweise, das Fischer besucht, um sich vor Ort ein Bild von den Zuständen zu machen. Was wird er den Menschen dort sagen? „Sie machen gerade Schreckliches durch. Sehen Sie mich an, ich weiß, wovon ich rede“?
Vielleicht. Kann sein, Afrikas Probleme, das sind Fischers Probleme. Wahrscheinlich bleiben sie ungelöst. RAYK WIELAND
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