Besuch bei Designer Marc Ecko: The American Hip-Hop Dream
Marc Ecko verkörpert den amerikanischen Traum schlechthin: Er fing in einer Garage in New Jersey an, T-Shirts zu designen und verdient jetzt Millionen.
WASHINGTON taz Berlin, das ist für Marc Ecko ein wildes Karussell mit "Wurstgerichten, Bier, Tacheles, Künstlern, noch mehr Bier und wieder Fleisch". Und ja, Okraschoten mit Honig in irgendeinem abgefahrenen Restaurant, dessen Namen er nicht mehr weiß. Alles "definitv coole Energie", meint der 35-Jährige. Er will wieder hin nach Berlin, vielleicht um ein weiteres Geschäft dort zu eröffnen. Oder einfach nur so, mit seiner Frau Allison, ohne die zwei Kinder. Um "Urlaub für Erwachsene" dort zu machen. Der blasse Mann trägt ein kurzärmeliges über einem langärmeligen T-Shirt, einen dicken Strassring, Turnschuhe und eine Schlägerkappe. Er sieht jedenfalls nicht aus wie einer, der vom Tellerwäscher zum Millionär wurde. Doch seine Geschichte ist klassischer Stoff: Von der elterlichen Garage in den Chefsessel eines Milliarden-Dollar-Unternehmens - und das erst neulich.
Eckos Millionärs-Story beginnt als Marc Milecofsky in Lakewood, New Jersey, einer gesichtslosen Kleinstadt im Dunstkreis New Yorks. Marc ist weder ein Genie, noch der Coolste in Lakewood. Marc ist das ganz normale Vorstadt-Kid, dass seine Freizeit in den umliegenden Konsumlandschaften verbringt. Seine Eltern verdienen als Immobilienmakler genug für eine Familie mit drei Kindern. Klamotten, sagt Ecko, das wurde ihm ganz früh klar, "machen dich sozial akzeptabel". Als Schüler der staatlichen High School muß er mit Schwarzen, Latinos und asiatischen Mitschülern klarkommen, da war die Kleidung "der verbindende suburbane Dialekt". Ecko pflegt ein Vokabular aus Hiphop-Slang und Pop-Philosophie, gespickt mit ein bisschen Managertalk.
Er war, das glaubt man ihm sofort, jedenfalls nie der Tonangebende, der Break Dance konnte ("zu fett"), oder rappen ("zu untalentiert"). Aber Marc kann zeichnen. Seine Eltern sind mächtig stolz und zeigen seine Werke gerne im Familienkreis herum. Schon als Teenager tunt er gegen Geld seinen Mitschülern die T-Shirts und Jeans mit Airbrush-Designs hoch. Klar, in der Garage natürlich.
Aus Eckos Entwürfen wäre keine Geschichte für Businessmagazine geworden, wenn das Bemalen von T-Shirts sein Hobby geblieben wäre, wie es zunächst aussah. Denn Marc studiert Pharmazie an der Rutgers School, wo er als Hiphop-Fan noch weniger hinpasst, als als Weißer in die schwarzen Viertel von Lakewood. Das Studium, merkt Marc bald, ist nicht sein Ding. Viel lieber will er weiter was mit Graffity und Klamotten machen. Ein Freund bringt ihn zusammen mit einem Gleichaltrigen aus Lakewood, Seth Gerszberg, der schon rausbekommen hat, wie man Geld verdient. Gerszberg versteht zwar nichts von T-Shirts oder Hiphop, aber er hilft Marc, ein bisschen Startkapital zusammen zu bekommen. Als 21-Jährige gründen die beiden, zusammen mit Marcs Zwillingsschwester Marci und einer handvoll T-Shirtdesigns 1993 schließlich Ecko Unlitmited. Tja, und dann verbringen die Jungmanager die nächsten sechs Jahre damit, ungefähr sechs Millionen Dollar in den Sand zu setzten.
1998 droht dem Freundesbusiness die Pleite. Hiphop-Klamotten sind in den 90er Jahren nicht gerade das, was Modeboutiquen in ihrem regulären Angebot haben wollen. Ecko kann seine Ware nur in Kommission geben. Zwar verkaufen sich die T-Shirts mit den sechs verschiedenen Graffitydesigns ziemlich gut. Aber der Versuch, das Sortiment um Jeans, Jacken und Schuhe zu erweitern, scheitert grandios. Den drei Unternehmern fehlt die Erfahrung, Schulden türmen sich auf. Große Markenanbieter wie Levi, Nautica oder Perry Ellis lachen die Vorstadtkids aus. Eine letzte Hoffnung, ein rettender Deal, platzt.
Das Beinahe-Ende ist noch nicht lange her. Wer aber heute zu Marc Ecko will muß in die renovierten Fabriketagen in der 23. Straße West, mitten in Manhatten, kommen. Dort warten geschulte PR-Experten auf den Besuch, der in einem schwarz-weiß-pinkfarbenen Vorzimmer-Boudoir mit blonder Sekretärin geparkt wird, bis der Boß Zeit hat. Sein Business wickelt Marc an einem langen Konferenztisch sitzend ab, der in einem gigantischem Büro steht. Eine Mischung aus schicker WG-Küche, altenglischem Herrensalon und Jungscliquenmäßigem Basketballfeld. Auf dessen Boden steckt statt der üblichen Linien das Firmenlogo, ein Nashorn, das Spielfeld ab. Es ist ein Universum des alles-paßt-zu allem. Die einzelenen Elemente von Marc Eckos Reich sind weder cool noch originell, aber zusammengenommen ergeben sie eine erstaunlich freudvolle Stimmung. Eine Schaltzentrale in der man sofort die Hamburger- und Sixpackparty einläuten möchte.
Die Rhino-Anzeigen in den angesagten HipHop-Hochglanzmagazinen wie "Vibe" schlagen ein. Bald tauchen die ersten Stars der Szene wie Talib Kweli oder die Beatnuts in Rhino-T-Shirts auf. Zeitgleich verlieren die großen Bekleidungshäuser ihre Berührungsangst mit der bunten, schrillen Ware. Die Jugendszene oder die Szene der Junggebliebenen, das wird den Handelsunternemnen plötzlich klar, ist modernes Eldorado. Ecko ist in zehn Sekunden von Null auf Hundert und bis heute auf der Überholspur. Mit über 5000 Geschäften allein in den USA, Niederlassungen und Verträgen in 80 Ländern und rund 1,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz stampft das Rhinozeros voran. Allein in Deutschland, dem größten und wichtigsten Ecko-Markt in Europa, ist seit der ersten Ladeneröffnung in München im Jahr 2005 der Umsatz um 300 Prozent gestiegen. Vier weitere Läden und Factory-Outlets will Ecko in diesem Jahr in Görmany eröffnen.
Aus den Manhattaner Ecko Ltd. Kreativetagen kommen mittlerweile zwölf verschiedene Unisex-Bekleidungslinien, von Hiphop über Skateboard (Zoo York) bis hin zum seriösen Herrenausstatterlook. Ecko selbst nennt das Ganze eine jugendliche Lifestyle-Marke, "aber eigentlich ist ja das Schöne, dass diese Grenzen nicht wirklich existieren".
Mit dem Selbstbewußtsein eines Menschen, der weiß, dass er viel Glück und eine Portion Durchhaltevermögen hat, führt Marc Ecko durch die Etagen seines "Streetculture"-Imperiums. Längst gehören dazu ein Männershoppingmagazin Namens "Complex", Schuhe, Babysachen, eine Nonprofitorganisation zur Rettung von Nashörnern und ein Computerspiel sowie eine Art Designakademie für Kids aus der Bronx und aus Brooklyn. Die muß der Besuch unbedingt sehen, der Rest das sind doch nur T-Shirts, Hosen, Hemden, Klamotten eben. "Mir gefällt längst nicht mehr alles, was wir hier so machen, aber ich will meinen Designern nicht reinreden," sagt der Boss freundlich. Es findet es nicht ok, bei einem seiner Teams reinzuplatzen und dann zu sagen, ,eh, das sieht Scheiße aus' - "Die haben sich so viel Mühe gemacht, ich sag dann lieber nichts, die sollen auch aus ihren Fehlern lernen. Ich habe selber nur so gelernt."
Über Kartons, vorbei an noch nicht fertig eingerichteten Arbeitsplätzen geht es zu einen großen Raum in dem die Designakademie untergebracht ist. Zwei Betreuerinnen beantworten Fragen und an die zehn Teenager werkeln an Computerdesigns für Autos, Turnschuhe und T-Shirts. Marc Ecko begrüßt jedes Kind mit dem coolen Gruß der Straße: Handshake und dann rechte Schulter an rechter Schulter. Er schwärmt davon, wie gut die Kids schon seien, verteilt Schulterklopfer, kramt in einem Karton um ein Schuhdesign eines 14-Jährigen vorzuführen. "Mich hat die Schule so angekotzt. Diesen Kids hier will ich das vermitteln, was ich in der Garage meiner Eltern erlebt habe und was Schule nicht kann, dir nämlich das Selbstbewußtsein zu geben, dass du was Großartiges machen kannst."
Ecko ist erst zufrieden als er auch noch das Künstleratelier vorgeführt hat, dass er in einer Nische der Fabriketage eingerichtet hat. Anthony, ein verstrubbelter Maler in fortgeschrittenen Alter, der gebrochen Englisch spricht, murmelt Marc etwas wegen dreier Skizzen zu. Auf seinen großen Leinwänden sind Handgranaten, Maschinengewehre und Panzer in schrillen Farben zu sehen, Marc gratuliert Anthony zur geplanten Austellung und sagt dann laut, "er ist der Ur-Enkel von Wassily Kandinsky, aber das sagt er nicht so gerne".
Marc Ecko, den Namen hat Marc der eigenen Familiensaga entliehen. Als seine Mutter 1972 mit Marci schwanger war, sagte ihr der Arzt, er habe auf dem Ultraschallbild noch ein Echo wahrgenommen. Das Echo, das war Marc. Der Name passt. Marc Ecko, das ist die freundliche Echokammer eines entfernten Grollens im urbanen Dschungel der Straße. Es ist der Widerhall des American Dream, der immer noch funktioniert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers