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Bespitzelung von JournalistenVerfassungsschutz unverdächtig

Andrea Röpke hat Anzeige gegen den niedersächsischen Verfassungsschutz erstattet. Doch die Staatsanwaltschaft will nicht ermitteln.

„Verwundert“ darüber, von der Entscheidung der Staatsanwaltschaft aus der Zeitung zu erfahren: die Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke Bild: dpa

HANNOVER taz | Wegen der rechtswidrigen Journalistenüberwachung durch den niedersächsischen Verfassungsschutz will die Staatsanwaltschaft Hannover nicht ermitteln. Bei ihr hatte die Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke Ende September Anzeige wegen Urkundenunterdrückung gestellt. Einen Anfangsverdacht für Ermittlungen sehe man nicht, erklärte jetzt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Röpke, die als Autorin unter anderem für die taz und das NDR-Magazin „Panorama“ arbeitet, hatte 2012 noch in der Amtszeit von Niedersachsens Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) beim Verfassungsschutz angefragt, ob es dort eine Akte über sie gebe. Daraufhin löschte man die über mehrere Jahre hinweg gesammelten Daten kurzerhand und teilte ihr mit, über sie liege nichts vor.

Von der Löschaktion erfuhr Röpke erst vor gut drei Wochen – und stellte umgehend Strafanzeige. Schünemanns Amtsnachfolger Boris Pistorius und seine neue Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger (beide SPD) hatten da publik gemacht, dass Informationen über mindestens sechs rechtswidrig überwachte Journalisten in den Datenbanken der Behörde gefunden worden seien. Von der „Vertuschung“ im Fall Röpke, wie Pistorius es nennt, will Brandenburger erst kurz zuvor von Mitarbeitern erfahren haben.

Die weitere Aufarbeitung

Eine Task Force prüft die Daten des Verfassungsschutzes seit Montag auf weitere illegale Überwachungen. Ende 2013 soll klar sein, ob weitere Journalisten, Anwälte oder Politiker im Visier waren.

Vorschläge für die von Rot-Grün angekündigte Verfassungsschutzreform erarbeitet bis 2014 eine Expertengruppe. Eine überparteiliche Enquetekommission fordern CDU und FDP statt des rot-grünen Gremiums.

Auch von einem Untersuchungsausschuss ist die Rede.

Hinreichende Anhaltspunkte für eine Urkundenunterdrückung sieht die Staatsanwaltschaft allerdings nicht. „Wir meinen, der Tatbestand ist nicht erfüllt“, erklärte ein Sprecher. So stelle sich etwa die Frage, ob der Verfassungsschutz seine Daten zu Röpke löschen durfte oder ob diese wegen ihres Rechtsschutzbedürfnisses einen Einblick in die Daten hätte bekommen müssen.

Absicht?

Zudem stellt sich aus Sicht der Staatsanwälte die Frage, ob die Daten mit der Absicht gelöscht wurden, Röpke einen Nachteil zuzufügen – oder ob durch die Löschaktion nicht eher ein rechtswidriger Zustand, sprich eine rechtswidrige Beobachtung, beendet wurde.

Andrea Röpke selbst befürchtet nun, „dass nicht ans Tageslicht kommt, warum ich von der Behörde falsch informiert wurde“. Und ist „verwundert“, vom Entscheid der Staatsanwaltschaft „zuerst aus der Zeitung zu erfahren“.

Keine zwei Wochen brauchten die Staatsanwälte, um die Anzeige zu bearbeiten. Bereits am Wochenende hatte die Hannoversche Allgemeine Zeitung darüber berichtet. Ein offizieller Bescheid allerdings war am Montag weder bei Röpke noch bei ihrem Anwalt Sven Adam eingegangen.

Die Möglichkeit, bei der Generalsstaatsanwaltschaft Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen, hält sich Adam ausdrücklich offen: „Wir behalten uns vor, weitere rechtliche Schritte zu ergreifen, sobald die Begründung der Staatsanwaltschaft vorliegt“, kündigte er an.

Das genaue Ausmaß der Beobachtungen werden allerdings auch die anderen sechs Journalisten kaum noch erfahren können. Im Gegensatz zu Röpke war ihnen zwar mitgeteilt worden, dass man beim Verfassungsschutz Daten aus schwarz-gelben Regierungszeiten über sie gefunden habe, welche genau, erfuhren sie jedoch nicht: Behördenleiterin Brandenburger hatte die Akten mit Verweis auf die Gesetzeslage umgehend löschen lassen – und wird deshalb nun heftig kritisiert. Die Oppositions-CDU spricht von Beweisvernichtung und fordert Brandenburgers Entlassung.

Die rot-grünen Regierungsfraktionen haben bereits eine Änderung des Löschungspassus im Verfassungsschutzgesetz angekündigt. Das schreibt derzeit vor, rechtswidrige Einträge zu löschen. Bei der weiteren Überprüfung der Akten zu rund 9.000 Personen sollen auffällige Daten zumindest bei Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten oder Rechtsanwälten gesperrt statt gelöscht werden, versichert die Behörde. Das sei bis auf Weiteres in Abstimmung mit dem Landesdatenschutzbeauftragten angeordnet.

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11 Kommentare

 / 
  • BB
    Butter bei die Fische

    Vor dem Hintergrund, dass im "Sachsensumpf" die Staatsanwälte quasi mit offener Hose vor minderjährigen Zwangsprostitutierten aufgefunden wurden, mag man sich eigentlich gar nicht mehr ausmalen, was denn der niedersächsiche VS gegen die dortige Staatsanwaltschaft in der Hand hat, dass die nicht einmal mehr wagt, einen Spalt breit Licht in diesen Saustall zu werfen.

     

    Die decken sich alle gegenseitig und grinsen uns dabei noch ins Gesicht.

     

    Und wir schauen zu.

  • H
    haralllld

    Ggf die Ermittlungen per klage vor Gericht erzwingen, wäre nicht das erste mal in diesem Land das ein Gericht die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen zwingt. Auch wenn das verfahren eingestellt wird muss man es versuchen, den wer kämpft der kann verlieren wer nicht kämpft hat schon verloren oder so ähnlich.

  • 1. Wenn der Verfassungsschutz eine rechtswidrig angelegte Akte löscht, sollte man froh sein und sich nicht ärgern, dass der Verfassungsschutz Beweise vernichtet hat.

    2. Sie Staatsanwaltschaft ermittelt generell nicht gegen den Verfassungsschutz. Genauso ermittelt sie nicht gegen die Regierung, Staatsanwälte und Richter.

    3. Wenn Ermittlungen unvermeidbar sind, werden sie schnellstmöglich mit irgendeiner Begründung eingestellt.

    4. Eine unabhängige Staatsanwaltschaft ist nicht erwünscht. Denn dann würde die Judikative über die Exekutive urteilen können. So haben Regierungsmitglieder allenfalls nach einem Machtwechsel etwas zu befürchten.

    5. Selbst Italien hat eine unabhängige Staatsanwaltschaft. In Deutschland werden dagegen Petitionen für eine unabhängige Staatsanwaltschaft mit dem Verweis auf eine absurde Interpretation des Rechtstaatsprinzips abgelehnt.

  • O
    oranier

    Die deutsche Schriftsprache ist eine sehr schwere, von Journalisten nicht so ohne weiteres korrekt anzuwenden. Die Wortstellung im Satz ist nicht so starr festgelegt wie im Englischen, von Fall zu Fall ergeben sich aber doch Sinn-Entstellungen bei willkürlicher Stellung der Satzglieder.

     

    Der Artikel beginnt mit dem Satz:

    "Wegen der rechtswidrigen Journalistenüberwachung durch den niedersächsischen Verfassungsschutz will die Staatsanwaltschaft Hannover nicht ermitteln."

     

    Gemeint ist offenbar:

    "Sie Staatsanwaltschaft Hannover will nicht wegen der rechtswidrigen Journalistenüberwachung durch den niedersächsischen Verfassungsschutz ermitteln.", heißt: sie ist nicht geneigt, in dieser Sache zu ermitteln.

     

    Der Satz:

    "Wegen der rechtswidrigen Journalistenüberwachung durch den niedersächsischen Verfassungsschutz will die Staatsanwaltschaft Hannover nicht ermitteln."

     

    bedeutet jedoch etwas ganz anderes, nämlich: Weil der niedersächsische Verfassungsschutz eine rechtswidrige Journalistenüberwachung durchgeführt hat, will die Staatsanwaltschaft Hannover nicht ermitteln.", was natürlich nicht nur juristisch fragwürdig wäre, sondern zusätzlich eine widersinnige Begründung.

  • 7G
    786 (Profil gelöscht)

    10 Jahre haft für den Mitarbeiter, der die Akte trotz Verbots angelegt hat.

  • Leute wie diese Autorin würde ich auch überwachen lassen.

    Nebenbei: die Stasi hatte einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass es über Jahrzehnte friedlich in Europa blieb.

    • P
      Peter
      @Thomas:

      Gut dass Sie nix zu melden haben. Tschüss, zurück auf die Couch und heute Abend zum Stammtisch, Dünnes labern.

      • @Peter:

        So ist das - dem rechten Gesocks den ganzen Staats-Apparat und soziale Ächtung an den Hals wollen, und wenn sichs dann gegen Links richtet, rumweinen... die Stasi hatte den Fuss jedenfalls gut auf beiden drauf. :-)

        • @Thomas:

          ...nur haben sie leider auch den Rest dazwischen gleich mit unter den Fuß genommen....

  • Da denken wir, wir leben in Deutschland, und sind dabei schon längst im Big Brother-Stasi-China angekommen; Krass!

  • Man sollte sich doch fragen, wie und warum rechtswidrige Akten angelegt werden? Aber da stecken womöglich Verfassungsschutz (also Staat) und Anwaltschaft bzw. Richter unter einer Decke.