Bespitzelung mit Folgen: Verdeckte Aufklärer abgeschafft
Konsequenzen Enttarnung der verdeckten Ermittlerinnen „Iris Schneider“ und „Maria Block“ führen zu Konsequenzen.
Zukünftig werde die Polizei nur noch „verdeckte Ermittler“ (VE) einsetzen, wofür sie zwar die Genehmigung der Staatsanwaltschaft benötige, die aber dann die Befugnis hätten, Privatwohnungen zu betreten und personenbezogen Daten zu erheben, wie es im Fall der Mittwoch enttarnten Staatsschützerin Maria B. mit dem Tarnnamen „Maria Block“ gewesen sei.
Die heute 32-Jährige Maria B. sei vom Juli 2008 bis 2012 als verdeckte Ermittlerin (VE) „zur Abwehr schwerer Gefahren“ in der linken Szene eingesetzt gewesen, gab Polizeipräsident Ralf Meyer zu. „Alle Anordnungen der Staatsanwaltschaft liegen vor“, beteuerte Meyer. „Die rechtlichen Voraussetzungen haben vorgelegen, es waren Straftaten von erheblicher Bedeutung zu befürchten.“
Auch die Auslandseinsätze bei No-Border-Camps oder dem Klima-Gipfel-Protest in Kopenhagen und Nato-Protesten in Frankreich seien rechtlich durch „bilaterale Vereinbarungen“ gedeckt gewesen, betonte Neumann. „Maria Block“ sei manchmal sogar über das Bundeskriminalamt (BKA) aus dem Ausland zur Hilfe angefordert worden, damit sie die Hamburger Aktivisten begleite, sagte Neumann. Dort sei sie dann von einer heimischen Verbindungsperson „rechtlich begleitet“ worden.
Beamter für Lagebeurteilung (BfL) – bis 2001 „verdeckter Aufklärer“ genannt – ist ein nicht offen arbeitender Polizist. Er besucht öffentliche Treffen und Veranstaltungen, darf grundsätzlich keine Privatwohnungen betreten – dazu gehört auch das Plenum der Roten Flora.
Verdeckte Ermittler (VE) können laut Gesetz zur Datenverarbeitung bei der Polizei (PolDVG) zur Erkennung und Abwehr schwerer Straftaten („Gefahrenabwehr“) eingesetzt werden. Es bedarf jedoch der Genehmigung der Staatsanwaltschaft. Der VE darf auch Privatwohnungen betreten.
Zur Strafverfolgung werden verdeckter Ermittler nur auf richterlichen Beschluss eingesetzt und die Ermittlungen richten sich gegen konkrete Zielpersonen.
V-Mann ist eine Person, die eigentlich zu Szene gehört und meist gegen Geld geheime Informationen an die Staatsorgane preisgibt
Zu dem Vorwurf des am Mittwoch veröffentlichten Dossiers, Maria B. sei auch eine sexuelle Beziehung in der Szene eingegangen, konnte Meyer aufgrund von zwei Tagen Zeit nichts sagen. „Das ist eine Behauptung, für uns gilt die Unschuldsvermutung“, sagte er. Die Veröffentlichung habe ihn nicht überrascht. Das Erschleichen von Vertrauen gehöre zum Repertoire einer verdeckten Ermittlerin, sagte Meyer. Sogenannte „Romeo-Einsätze“, um an Informationen zu kommen, würden aber nicht zugelassen und die Beamten sofort abgezogen, versicherte Meyer.
Vorangegangen war die Veröffentlichung eines 39-seitigen Berichts der Innenrevision zur Affäre der Undercover-Polizistin „Iris Schneider“. Danach steht nun fest, dass das Engagement von Iris P. in der queerfeministischen Szene und in dem Radio „Freies Sender Kombinat“ (FSK) nie zu ihrem Auftrag als verdeckte Ermittlerin des BKA zwecks Strafverfolgung gehörte, sondern zu ihrer Parallelfunktion als Aufklärerin des Hamburger Staatsschutzes gehört haben muss.
Dafür habe sie ihr vorheriges Privatleben nahezu aufgegeben und ihren Lebensmittelpunkt verlagert, was zu einer Verschmelzung mit der Szene geführt habe, sodass sie 353 Tage Überstunden anhäufte, sagte Revisorin Schiffer. Dabei habe Iris P. ihre Befugnisse überschritten. Ob es zu Liebesbeziehungen gekommen sei, könne derzeit nicht geklärt werden, da Iris P. dazu die Aussage verweigere.
Diese gesamten Entwicklungen hätten die Führer der verdeckten Ermittlungen überhaupt nicht wahrgenommen. „Die VE-Führung war zu lasch, der Einsatz ist entglitten“, kritisierte Schiffer. Sie empfiehlt weitere disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen alle Beteiligten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers