Bespitzelung der Linkspartei: Links ist, wo es nichts zu lachen gibt
Die Linkspartei ist für den besten Inlandsgeheimdienst der Welt nicht mehr erwähnenswert. Warum sollte sie sonst noch jemand ernst nehmen?
Die Linkspartei ist am Ende, jedenfalls so gut wie, jedenfalls außerhalb eines Fortbestands als ostzonaler Regionalpartei. Das liegt weniger an der Tatsache, dass sie nacheinander aus drei Landtagen in Westdeutschland geflogen ist, wie politische Kommentatoren messerscharf analysierten, nachdem die Partei nacheinander aus drei Landtagen in Westdeutschland geflogen war.
Die Wahrheit lautet vielmehr: Die Linkspartei ist deshalb am Ende, weil selbst der Verfassungsschutz sie nicht mehr ernst nimmt und sie nicht länger beobachtet. Aus dem Werdegang der Grünen weiß man, wie so etwas im besten Fall endet: Erst verliert der Verfassungsschutz sein Interesse, dann folgen unaufhaltsam Mitmachertum und Dosenpfand, Renate Künast und Ökobiedermeier.
Nun sage keiner, die dümmste Behörde Deutschlands sei ihrerseits nicht ernst zu nehmen. Denn mögen deutsche Verfassungsschützer bei Nazis stets etwas, sagen wir: betriebsblind gewesen sein, waschechte Umstürzler, die danach trachteten, uns um Gott, Vaterland und Eigenheim zu bringen, konnten sie immer schon auf hundert Meter gegen den Wind riechen. Das hatten sie bei der Gestapo, der SS oder beim Volksgerichtshof gelernt, das gaben sie an die nachfolgende Generation weiter. Eine Linke, die der Verfassungsschutz links liegen lässt – dieser Kalauer ist zu qualitätsjournalistisch, um ihn wegzulassen –, eine solche Linke also ist keine.
ist Redakteur der taz.
Immer das Frühwerk!
„Wenn wir vom Feind bekämpft werden, dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, dass wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben“, lautete eine Kalenderweisheit von Mao Tse-tung, die die RAF in ihren frühen Tagen gerne zitierte. (Für Terroristen gilt das Gleiche wie für die meisten anderen Künstler und Denker auch: Immer das Frühwerk beachten! Wer je etwas Kompromissloses, Originelles und Kühnes zu sagen hatte, tat dies fast immer im Frühwerk, während sich im Spätwerk in aller Regel opportunistische Saturiertheit, denkfaule Selbstwiederholung oder blanke Senilität breitmachen, weshalb jene Künstler, Denker und Terroristen, die aus Einsicht oder aus Zwang ganz auf ein Spätwerk verzichtet haben, auch die allergrößte Wertschätzung genießen.)
Wie weit jedoch die Linkspartei von derlei Einsichten entfernt ist, zeigen die Einlassungen des Parteivorsitzenden. Bernd Riexinger heißt der, und so spricht er auch: „Die Bespitzelung einer demokratischen Partei ist einer Demokratie unwürdig.“ Und: „Die Strategie der Diffamierung durch Stigmatisierung ist gescheitert“, weshalb Innenminister Hans-Peter Friedrich „sofort offenlegen“ müsse, „wen die Schlapphüte bisher bespitzelt haben und wie der Umgang mit der Linken in Zukunft aussehen soll“.
Nun, diese Frage lässt sich leicht beantworten: Ziemlich so, wie der Umgang der „Schlapphüte“ mit festgetretenenen Kaugummis auf dem Bürgersteig, dem Wetterbericht von gestern oder mit Markus Lanz aussieht: eher meidend.
Nur eine ästhetische Gefahr
Weshalb sollten die Verfassungsschützer auch ihre Zeit mit einer Partei verplempern, die ihre radikalste sozialpolitische Forderung („Bedingungsloses Grundeinkommen“) mit den klügeren Köpfen des Mittelstandes teilt und deren wirtschaftspolitisches Vorstellungen (Tobin-Steuer) Kleinkram ist im Vergleich zu den Bankenverstaatlichungen, die George W. Bush in seinen letzten Tagen zu Wege brachte? Einer Partei, die es für furchtbar links findet, die Afghaninnen und Afghanen den Taliban zu überlassen und die auf nichts so scharf ist wie auf Arbeit, Arbeit, Arbeit? Einer Partei schließlich, deren Abgeordnete sich in den letzten Jahren nur ins Gespräch brachten, wenn sie auf dem Frauendeck nach Gaza reisten, nach einer Rede des israelischen Präsidenten Schimon Peres im Bundestag (eleganterweise am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz) mit ihrem Arsch am Sitz kleben blieben oder den Opfern des Stalinismus die Anerkennung verweigerten?
Das Programm dieser Linken lässt sich (sorry, Gregor!) in einem Satz zusammenfassen: Links ist da, wo der Staat ist und wo es nichts zu lachen gibt. Nein, wenn von dieser Partei eine Gefahr ausgeht, dann eine ästhetische. Und dafür sind die „Schlapphüte“ wirklich nicht zuständig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann