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Besinnliche Rückblicke an WeihnachtenVerdrehte Augen

Mit Besinnung und Vorsätzen verbringen wir die Feiertage. Möglichst ohne Konfrontation irgendwie durchkommen. Und dann: ein neues Jahr.

Hinter jedem Fenster wird sich besonnen, dass es nur so eine Art hat Foto: photocase/Jonathan Schöps

ber die Weihnachtsfeiertage denken wir an das, was wirklich wichtig ist. In Deutschland nennen wir das Besinnlichkeit. Endlich Besinnung, im Gegensatz zum Rest des Jahres, wenn alle schubsen, schreien, in Hamsterrädern rennen und komplett von Sinnen sind. Besinnlich, besinnlicher, am besinnlichsten.

Heißt langsamer werden, runterkommen, vielleicht sogar erst denken und dann handeln. Vielleicht sogar erst denken und dann sprechen. Aber wer denkt, dass er ja wohl noch das N-Wort sagen dürfen wird, dem hilft auch ein Feiertagstempolimit nicht. Wir wollen über die Feiertage nicht streiten, also seufzen wir rassistischen Ausfällen beim Familientreffen hinterher. Seufzen und schweigen. Wie geht’s eigentlich Monika?

Über die Weihnachtsfeiertage blicken wir auf das vergehende Jahr zurück und suchen nach Vorsätzen für das beginnende. Weniger rauchen, mehr Sport, Digital Detox. Markus überlegt beim Joggen, wie viele Kalorien er schon verbrannt hat. Ich überlege kurz das Gleiche und füge hinzu, dass es nicht schadet, wenn ich schneller rennen kann als Männer oder Nazis oder Männernazis. Ich stelle fest, dass ich 2020 nicht nur schneller wegrennen können will, sondern auch länger dableiben. Nicht aushalten, aber konfrontieren.

Ich hasse Konfrontation, vgl. Hierse 2019a: Ich gehe in eine Flugzeugküche und suche Wasser. Ein Flugbegleiter schaut mich an und fragt: “Are you a mix?“ Ich sage, dass ich nur Wasser will. Er wiederholt “No, I mean, are YOU a MIX“. Ich sage, dass meine Mutter aus China ist. Er nickt zufrieden und gießt mir Wasser ein, ich gehe zurück zu Platz 33C, ich wollte eigentlich nur Wasser, aber man kriegt ja nichts geschenkt und jetzt bin ich ein Mix.

Jetzt bin ich weiß oder Wasweißichschon

Ich hasse Konfrontation, vgl. Hierse 2019b: Ich bin Teil eines Partygesprächskreises, in dem Leute erzählen, was sie so beruflich machen. Ich sage, dass es da einen Podcast von People of Color gibt. Eine Freundin fragt, was People of Color sind, ich fühle mich schuldig, weil ich eine Sprache benutze, die nicht alle verstehen. Ich sage, dass People of Color nicht weiß sind. Sie fragt, ob ich nicht weiß bin. Ich sage: “Je nachdem wer das entscheidet.“ Ein Teil des Partygesprächskreises verdreht die Augen, ich wollte eigentlich nur vom Podcast erzählen und jetzt bin ich weiß oder auch nicht, wasweißichschon.

Über die Weihnachtsfeiertage laufen Jahresrückblicke im Fernsehen. Kuratierte Retrospektiven erinnern an das, was neulich noch neu war und jetzt ein bisschen egal ist – Besinnung. Wisst ihr noch, als Horst Seehofer sich freute, weil an seinem 69. Geburtstag 69 Geflüchtete abgeschoben wurden? Ach so, das war 2018. Ist Seehofer eigentlich noch im Amt? Wisst ihr noch, die Proteste in Hongkong? Die wurden ja leider gewalttätig irgendwann.

Protestieren die eigentlich noch? Wisst ihr noch, Halle? Klar, die Anschläge haben ja uns allen gegolten. War der Attentäter nicht auch Gamer? Wisst ihr noch, die SPD? Wisst ihr noch, Handke? Wisst ihr noch, weiß ich doch. Besinnlich, besinnlicher, am besinnlichsten.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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6 Kommentare

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  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Kurt Tucholsky (1890-1935)

    Weihnachten

    Nikolaus der Gute



    kommt mit einer Rute,



    greift in seinen vollen Sack –



    dir ein Päckchen – mir ein Pack.



    Ruth Maria kriegt ein Buch



    und ein Baumwolltaschentuch,



    Noske einen Ehrensäbel



    und ein Buch vom alten Bebel,



    sozusagen zur Erheiterung,



    zur Gelehrsamkeitserweiterung ...



    Marloh kriegt ein Kaiserbild



    und nen blanken Ehrenschild.



    Oberst Reinhard kriegt zum Hohn



    die gesetzliche Pension ...



    Tante Lo, die, wie ihr wisst,



    immer, immer müde ist,



    kriegt von mir ein dickes Kissen. –



    Und auch hinter die Kulissen



    kommt der gute Weihnachtsmann:



    Nimmt sich mancher Leute an,



    schenkt da einen ganzen Sack



    guten alten Kunstgeschmack.



    Schenkt der Orska alle Rollen



    Wedekinder, kesse Bollen –



    (Hosenrollen mag sie nicht:



    dabei sieht man nur Gesicht ...).



    Der kriegt eine Bauerntruhe,



    Fräulein Hippel neue Schuhe,



    jener hält die liebste Hand –



    Und das Land? Und das Land?



    Bitt ich dich, so sehr ich kann:



    Schenk ihm Ruhe – lieber Weihnachtsmann!

    Ich kann mir nicht helfen aber irgendwie ist hier immer noch so ein Hauch aktuelles.....

    • @05158 (Profil gelöscht):

      Fein. You‘re first. But - Hauch? Ach was!

      (“…hat Appétít kriegt einen Bauch & einen Orden kriegt er auch…?“ - Wat?



      Mach Bosse;) - da hauch ich doch glatt -

      Überall

      Überall ist Wunderland.



      Überall ist Leben.



      Bei meiner Tante im Strumpfenband.



      Wie irgendwo daneben.



      Überall ist Dunkelheit.



      Kinder werden Väter.



      Fünf Minuten später



      Stirbt sich was für einige Zeit.



      Überall ist Ewigkeit.



      Wenn du einen Schneck behauchst,



      Schrumpft er ins Gehäuse,



      Wenn du ihn in Kognak tauchst,



      Sieht er weiße Mäuse.“

      kurz&Eb'n - Die beede - Arm in Arm.



      Herz - Bitte sehr - Wat willste mehr.



      🥚jòò. 🥚jòò. Da wird dir wa'm. A‘m.

      Normal. 🥳

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Ein Traum!

        Ich nenne mich um in RINGELLORDER8.

        Jetzt gehe ich Don Camillo kucken.



        Jawohl, das mache ich immer.

        de.wikipedia.org/w...amillo_und_Peppone

        ;-)

        • @05158 (Profil gelöscht):

          Ach was! Wie wär’s mit - Schillerlocke -

          Vom Seepferdchen zum Dornhai -



          (…öh - Bauchlappen;))

          unterm— nicht so zart-zerbrechlich - kerr!

          Seepferdchen

          Als ich noch ein Seepferdchen war,



          Im vorigen Leben,



          Wie war das wonnig, wunderbar



          Unter Wasser zu schweben.



          In den träumenden Fluten



          Wogte, wie Güte, das Haar



          Der zierlichsten aller Seestuten,



          Die meine Geliebte war.



          Wir senkten uns still oder stiegen,



          Tanzten harmonisch umeinand,



          Ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand,



          Wie Wolken sich in Wolken wiegen.



          Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn,



          Auf dass ich ihr folge, sie hasche,



          Und legte mir einmal im Ansichziehn



          Eier in die Tasche.



          Sie blickte traurig und stellte sich froh,



          Schnappte nach einem Wasserfloh,



          Und ringelte sich



          An einem Stängelchen fest und sprach so:



          Ich liebe dich!



          Du wieherst nicht, du äpfelst nicht,



          Du trägst ein farbloses Panzerkleid



          Und hast ein bekümmertes altes Gesicht,



          Als wüsstest du um kommendes Leid.



          Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnass!



          Wann war wohl das?



          Und wer bedauert wohl später meine restlichen Knochen?



          Es ist beinahe so, dass ich weine -



          Lolla hat das vertrocknete, kleine



          Schmerzverkrümmte Seepferd zerbrochen.“

          & Däh - Kinder -

          Doch ihre Sterne kannst du nicht verschieben

          Das Sonderbare und Wunderbare



          Ist nicht imstande, ein Kind zu verwirren.



          Weil Kinder wie Fliegen durch ihre Jahre



          Schwirren. – Nicht wissend, wo sie sind.

          Nur vor den angeblich wahren



          Deutlichkeiten erschrickt ein Kind.

          Das Kind muß lernen, muß bitter erfahren.



          Weiß nicht, wozu das frommt.



          Hört nur: Das muß so sein.

          Und ein Schmerz nach dem andern kommt



          In das schwebende Brüstchen hinein.



          Bis das Brüstchen sich senkt



          Und das Kind denkt.“

          kurz - Na Mahlzeit - 🥳

          • 0G
            05158 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Die Feiertage sind vorbei die Leibesübungen beginnen:

            Am Hängetau

            Das Hängetau ist lang und steil.

            Jedoch die Übung an dem Seil

            Ist heilsam und veredelt.

            Dieweil du kletterst, wächst das Tau

            Dir hintenraus und wedelt

            À la Wauwau.

            Marie, die unten nach dir blickt,

            Kommt mit der Quaste in Konflikt.

            Ich wette um ein Faß Gelee:

            Drei Meter über der Erden

            Erfaßt dich plötzlich die Idee,

            Du möchtest Seemann werden.

            Der Kletterschluß mißlingt dir freilich.

            Er klingt auch häßlich papageilich.

            Schon dieserhalb und um so mehr

            Schwankst du verzweifelt hin und her,

            Als atemloser Pendel.

            Und jäh umgibt dich in der Luft

            Ein unartikulierter Duft

            Sehr abseits von Lavendel.

            Und dann erreichst du ganz verzagt

            Den Balken unter Pusten,

            Und weil Marie von unten fragt,

            Und weil die Stimme dir versagt,

            So fängst du an zu husten.

            Die Dame fragt, ob schwindelfrei

            Und schüttelt die Manilla.

            Du mimst voll Angst und Heuchelei

            Den schwärmenden Gorilla.

            Doch weil allmählich Zeit vergeht

            Und nirgends eine Leiter steht,

            Entschließt du dich voll Grausen

            Und präsentierst dein Hinterteil

            Und angelst lange nach dem Seil

            Und läßt dich plötzlich sausen.

            Du plumpst der Dame auf die Brust

            Und tust, als tatst du das bewußt,

            Und blähst dich wie ein Segel.

            Und nickst ein heiteres Allheil!

            Und lachst und fühlst dich doch derweil

            Teils Burschenschaft, teils Flegel.

            Kein Mädchen, nicht einmal die Braut,

            Sieht gerne Hände ohne Haut.

            (abseits von Lavendel....;-))

            • @05158 (Profil gelöscht):

              Jung - thnx a lot - entre nous only - einst:

              Als das letzte gesamtdeutsche Beethoven-Konzert am Rotsee war erst & dann grad verklungen - hab ich ich so walmdachhoche Teile mehrfach doch -



              Zum warmmach - bezwungen.



              &



              Neulich erst die Kinder wieder. “Kiik an.



              Liggers. De Ol - jümmers noch doch ~ ~ Händ a weng wie son …Eisenbieger.“ 👹







              (& Jung - nur -



              “…nen Tintenklecks aufschlecken & ann n Bliifedder kauen.“ Nò - Gellewelle.



              Gefällt den wenigsten der Frauen. 😱 ;))

              Ende der eitel Werbeeinblendungen 👻