Besetzter Wald in Hamburg: Ultimatum der Polizei verstrichen
50 Leute erwarten die Räumung eines Baumhauses im Vollhöfner Wald. Am Ende belässt es die Polizei bei einer Aufforderung.
Gut 50 Leute haben sich am Vormittag rund um das Baumhaus versammelt: die Besetzer, junge Leute, die an Seilen auf dem Bauhaus herumturnen, und auch Leute von der Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald, die seit Wochen mit Spaziergängen auf den Wert dieses Areals aufmerksam macht, das mit Lagerhallen bebaut werden soll.
Der Vollhöfner Wald ist eine Brachfläche im Hafenerweiterungsgebiet, in der sich die Vegetation 50 Jahre lang fast ungestört entwickeln konnte. Hier hausen sechs geschützte Fledermausarten. Hier brüten die Rote-Liste-Vögel Gelbspötter, Neuntöter und Trauerschnäpper. Hier gibt es Biotope wie Auwald, Trockenrasen und Staudensäume.
Anlässlich der drohenden Eskalation forderten die großen Umweltverbände, den Wald zu erhalten. „Alles andere würde den bundesweiten Zielen des Klima- und Artenschutzes entgegenstehen“, warnt der Nabu. Die Bürgerschaftsparteien müssten sich im Vorfeld der Wahl klar zum Wald positionieren. Der BUND fordert, den Wald „aus dem Hafenerweiterungsgebiet heraus zu nehmen und in das Verwaltungsvermögen der Umweltbehörde oder des Bezirks Harburg zu übertragen“.
Streit im Senat
In der Senatsvorbesprechung am Dienstag sorgte das Thema nach taz-Informationen für Streit zwischen den Grünen und der SPD. Während die SPD der Hamburger Linie „Räumung binnen 24 Stunden“ folgen wollte, sperrten sich die Grünen. Allerdings wäre eine Räumung auf dem Gelände zwischen Deich und Alter Süderelbe, mit Matschboden und umgestürzten Bäumen, eine ziemliche Herausforderung.
Der Senat verschickte am Dienstagabend die Mitteilung, bis 2023 sei „nicht geplant, einen Eingriff in die Baumsubstanz der Vollhöfner Weiden vorzunehmen“. In der Landespressekonferenz hatte Umweltsenator Jens Kerstan zuvor gesagt, dass „in der heutigen Zeit, wo die Bekämpfung des Klimawandels im Mittelpunkt steht, es nicht mehr in die Zeit passt einen solchen Wald für Logistikflächen zu roden“. Im Falle einer künftigen grünen Regierungsbeteiligung werde darüber zu reden sein, „auf die Inanspruchnahme des Gebiets grundsätzlich zu verzichten“.
Unterdessen werkelten die Baumbesetzer am Ausbau ihres Baumhauses. Inzwischen gibt es Schlafkojen, einen Minibalkon mit Bänkchen und einen Rauchmelder – denn Brandschutz wird groß geschrieben, seit die Polizei argumentiert, der Wald könnte abbrennen.
„Unverständliche“ Härte
Die Baumbesetzer verhielten sich verantwortungsbewusst, sagt Hinrich Brunkhorst von der Klimaschutzinitiative, der sich im Baumhaus umgesehen hat und sich als „Mitglied der bürgerlichen Mitte“ bezeichnet. Die SPD fahre „eine Politik der Härte, die wir völlig unverständlich finden“.
Am Mittwoch blieb es aber bei fünf Polizisten, die gegen 14 Uhr zum Baumhaus kamen und darauf hinwiesen, dass es sich um eine unrechtmäßige Versammlung handle, die aufzulösen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“