Besetzte Fabrik in Südkorea: Tödlicher Arbeitskampf

Hunderte südkoreanische Automobilarbeiter haben ihren Betrieb besetzt – belagert von der Polizei. Wasser und Strom sind abgestellt, zu essen gibt es nichts. Eine Angehörige begeht Selbstmord.

"Tötet uns doch alle": Streikende Arbeiter malten diesen Slogan auf die von ihnen besetzte Lackiererei. Bild: reuters

BERLIN taz | In einer seit zwei Monaten von Arbeitern besetzten Fabrik in Südkorea spitzt sich die Lage zu. Polizei und Werkschutz haben in den letzten Tagen fast alle Gebäude der Ssangyong-Autofabrik in der Stadt Pyeongtaek, 70 Kilometer südlich von Seoul, geräumt. Mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und drei Hubschraubern, die Arbeiter mit Tränengas angriffen, wurden die Besetzer laut Medienberichten vertrieben. Die maskierten Arbeiter wehrten sich mit Molotowcocktails und schossen, wie auch einige Wachschützer, mit Schrauben aus Katapulten. Bisher gab es etwa 110 Verletzte.

Die Besetzer, deren Zahl unterschiedlichen Quellen zufolge mit 600 bis 1.200 beträgt, halten noch die Lackierei besetzt. Dort lagern zehntausende Liter Lacke und Verdünner. Sie könnten bei einer Erstürmung des Gebäudes explodieren. Einige Arbeiter drohen, das Gebäude anzuzünden.

Ssangyong heisst "Zwillingsdrache" und ist Südkoreas kleinster Autohersteller. Die Firma begann in den 1950 Jahren mit der Montage von US-Jeeps. Seitdem ist sie auf Geländewagen (SUVs) spezialisiert. Doch deren Nachfrage ist angesichts des Trends hoher Ölpreise gesunken. Ssangyong Motor gehörte zwischenzeitlich zum Daewoo-Konzern und wurde Ende 2004 zu 51 Prozent vom chinesischen Autobauer Shanghai Automotive Industrie Corporation (SAIC) gekauft. Im Januar 2009 beantragte Ssangyong Insolvenz und genießt seitdem Gläubigerschutz. Bis September muss ein Sanierungsplan vorgelegt werden.Ssangyongs Umsatz ging in der ersten Hälfte 2009 um 73,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück.

Hintergrund der Besetzung ist die Absicht der Firmenleitung, 2.646 Arbeiter - 36 Prozent der Gesamtbelegschaft - zu entlassen. Nach Firmenangaben haben bisher 1.670 ihrer Entlassung zugestimmt. Der Rest wehrt sich. Seit Besetzungsbeginn am 21. Mai steht die Produktion. 8.000 Fahrzeuge wurden nicht produziert, Verluste in Höhe von umgerechnet 134,2 Millionen US-Dollar angehäuft.

Betriebsbesetzungen kommen in Südkorea relativ selten vor. Ein Gericht erklärte zu Monatsbeginn diese Besetzung für illegal. Darauf rückte am Montag die Polizei an. Sie belagert die Fabrik nun mit rund 3.000 Mann. Das Management drehte den Besetzern Wasser und Elektrizität ab. Auch werden keine Lebensmittel mehr durchgelassen.

Als die Polizei vorrückte, beging die Ehefrau eines verantwortlichen Gewerkschaftsführers aus Verzeiflung Selbstmord. Die Gewerkschaft nennt Entlassungen ohnehin Mord. Nach Gewerkschaftsangaben haben Manager Angehörige von Besetzern aufgesucht und ihnen Entschädigungsforderungen angedroht.

Das Management bot den Besetzern zuletzt an, sie bevozugt wieder einzustellen, sollte es in den nächsten Jahren Bedarf geben. Die Besetzer fordern aber ein Eingreifen der Regierung, mit der sie direkt verhandeln wollen. Sie fordern staatlliche Kredite. Management und Regierung verlangen von der Gewerkschaft einen Streikverzicht ähnlich wie beim inzwischen wieder aus der Insolvenz entlassenen US-Konzern General Motors.

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