: Besetzer, Behörden
Am Alex entsteht der Gegenentwurf zur Investorenstadt
Hausbesetzung am Alex. Echt jetzt? Genauer betrachtet wurde vor zehn Jahren nicht irgendein Haus besetzt, sondern das Haus der Statistik. Und besetzt wurde es auch nicht richtig, eher von Aktivistinnen und Aktivisten wieder mit Leben gefüllt. Aus dem Riesenkomplex, der abgerissen und einem Investorenbau weichen sollte, sollte plötzlich ein „Zentrum für Kunst, Kultur, Soziales und Geflüchtete“ werden.
Tatsächlich ist am nördlichen Zipfel des Alexanderplatzes alles anders geworden. In den Riegel an der Otto-Braun-Straße ist bereits das Finanzamt Mitte/Tiergarten gezogen. Im „Haus A“, über dem der weithin sichtbare Schriftzug „Allesandersplatz“ prangt, wird die Genossenschaft Zusammenkunft Berlin ZKB demnächst Räume vergeben können.
Und dann sind da noch die Neubauten, die auf der Freifläche hinter dem Riegel entstehen. Drei Wohnhäuser der Wohnungsbaugesellschaft Mitte WBM mit 250 Wohnungen, drei Experimentierhäuser, die die ZKB kuratiert, und der 70 Meter hohe Neubau des Rathauses Mitte.
Berliner Verwaltung und Zivilgesellschaft Hand in Hand? Kann das klappen? Es musste. Gleich nach der Besetzung kippte der Bezirk Mitte den Bebauungsplan, der den Abriss festlegte. Kurz danach holte der damalige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) das Haus der Statistik in Landesbesitz. Bedingung des Bundes für den Verkauf: 80 Prozent des Bestandsgebäudes müssen von der Verwaltung genutzt werden.
Das hätte das Aus sein können, denn für ein Kunstzentrum wäre kaum mehr Platz gewesen. Der Kompromiss waren dann die drei Experimentierhäuser für die ZKB, die sich zudem den Zugriff auf alle Erdgeschosse sicherte. So sollen auch jene Gebäudeteile, in denen Behörden sitzen, für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Zumindest auf unterster Ebene.
„Koop 5“ heißt das ungewöhnliche Bündnis, zu dem sich ZKB, WBM, die Berliner Immobilienmanagment GmbH, der Bezirk und die Senatsbauverwaltung zusammengeschlossen haben. Beschlüsse wurden meist im Konsens getroffen, das hat Vertrauen geschaffen.
Aber es gibt auch Kritik. Statt ein eigenständiges Zentrum zu betreiben, ist die ZKB nun Mieterin der BIM. Und musste das Bestandsgebäude wirklich für 200 Millionen Euro saniert werden? Auf der andern Seite hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, dass die Räume in Haus A an die Initiativen unter Verkehrswert vergeben werden. Weniger skeptisch sind Projektentwickler aus aller Welt. Sie pilgern her und staunen über Berlin. Uwe Rada
Alle Termine zum Jubiläum: hausderstatistik.org/
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