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Beschleunigter NetzausbauWenn der Strom unterm Fluss fließt

Legt Stromleitungen unter die Flüsse - das fordert ein CDU-Politiker. Es gebe ja auch Kabel auf dem Meeresgrund. Umweltschützer sind entsetzt.

Main-Donau-Kanal: Im Untergrund soll dann der Ökostrom fließen. Bild: dpa

BERLIN taz | Starkstromleitungen, die die Energie der Windräder auf dem Meer gen Süden bringen, in den Flüssen zu "verstecken" - das ist eine Idee, die in der niedersächsischen CDU laut geworden ist. "Es gilt jetzt, alle Möglichkeiten ergebnisoffen zu prüfen", meint der Chef der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, Björn Thümler. Die Kabel von der Oberfläche verschwinden zu lassen entlaste die Bevölkerung.

"Geht nicht, gibts nicht", sagt Thümler entschlossen, solange ihm keiner nachweise, dass es aus ökonomischen, ökologischen oder technischen Gründen nicht möglich sei: "Wir legen schließlich auch Kabel von Norwegen durchs Meer in die Niederlande." Vorteil sei, dass es mit dem Bund nur eine Genehmigungsbehörde gebe, der die Wasserstraßen verwalte.

Eine Machbarkeitsstudie gibt es bisher nicht. Untersucht wurde die Option aber schon. In einer Studie der Energietechnischen Gesellschaft (ETG) wurden Freileitungstrassen, Autobahnen, Pipelines, Bahntrassen und Flüsse nach den Kriterien Planung und Genehmigung, Trassenbedingungen, Bau und Betriebsbedingungen geprüft.

"Nach Punkten weisen Autobahnen und Freileitungstrassen leichte Vorteile auf. Knapp dahinter liegen Bahntrassen, Pipelines und die Wasserwege gleichauf", sagt ETG-Geschäftsführer Wolfgang Glaunsinger.

Das Einspülen von Kabeln in Flussläufe sei sogar erheblich einfacher, da kein Boden entnommen werden muss, erklärt Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe. Mit einem wasserunterstützten "Pflugschwert" wird das Kabel eingebracht. An Land müssten für die Verlegung sehr große Mengen Erde bewegt werden, die immer auch einen Eingriff in den Boden- und Wasserhaushalt bedeuten.

Erfahrungeb fehlen

Peter Ahmels von der Umwelthilfe bereitet bei der Realisierung etwas ganz anderes Sorge: "Erdverkabelung im klassischen Verbundnetz auf der Höchstspannungsebene ist noch nicht der Stand der Technik."

Kein Netzbetreiber wolle die Verantwortung auf sich nehmen und eine neue Technologie einsetzen, die nicht auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen fuße.

Die Sprecherin für Energiewirtschaft der grünen Bundestagsfraktion, Ingrid Nestle, hingegen ist sich sicher, dass das "Kabeln im Fluss" nicht die Lösung ist, auf die alle gewartet haben. "Flussufer sind dicht besiedelt und die Flüsse teilweise stark befahren. Die Sicherheit und die Belastung durch Magnetfelder sind noch ungeklärt."

Die Möglichkeit halte sie überdies wegen des baulichen Eingriffs und der Abwärme für ökologisch problematisch. Da hält Thümler gegen. Ein Kabelunternehmen habe geprüft, dass die Abwärme bei nur 0,5 Grad liege - das könne vernachlässigt werden.

Erhebliche Eingriffe

Winfried Lücking, Wasserexperte beim Umweltverband BUND, ist bestürzt angesichts dieser Idee: "Flüsse sind komplexe und sehr empfindliche Ökosysteme. Kabel in die Gewässersohle einzugraben stellt einen erheblichen Eingriff dar."

Zudem verstoße das gegen die europäische Wasserrahmenrichtlinine. Danach darf die Qualität der Flüsse durch menschliche Eingriffe nicht weiter verschlechtert werden. Der BUND plädiere ohnehin für eine dezentrale Energiegewinnung, die die Nord-Süd-Kabel überflüssig machten.

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7 Kommentare

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  • FN
    Floda Nashir

    Wärme misst man nicht in Grad (Celsius oder was?), sondern in Joule.

  • E
    eltomo

    "die Abwärme nur 0,5 Grad beträge" - WTF?!

    Der will entweder jemanden für dumm verkaufen, weiss es nicht besser, oder wurde falsch zitiert.

    Die Angabe "0,5 Grad Abwärme" ist jedenfalls kompletter Unsinn. Was wird bitteschön 0,5 Grad wärmer als welche Bezugstemperatur? Und in welchem Fall? Bei welcher Strömungsgeschindigkeit, wieviel Wasser und wieviel Watt, die durch die Leitung gehen?

  • J
    James

    @Kreuzer: Wie groß soll die Verlustleistung im Kabel sein um die von Ihnen angegebene Erwärmung zu erreichen ?

     

    @Ingrid Nestle: Bei der Dielektrizitätskonstante von Wasser kommt nur eine Gleichstromübertragung in Frage, das daraus resultierende Magnetfeld ist im wesentlichen konstant und schwächer als das Magnetfeld von Magneten die sich manche unter das Kopfkissen legen. Wie wird man mit derartig ungenügenden Physik Kenntnissen eigentlich "Sprecherin für Energiewirtschaft der grünen Bundestagsfraktion" ?

  • G
    Gunnar

    Manche Leute haben doch echt nur SCHEIßE im Hirn.

  • K
    Kabelsalat

    Ein erheblicher Eingriff durch den Kabelpflug ist wohl in all den Flüssen kaum ernsthaft anzunehmen, die ohnehin wegen der Schiffahrt ständig mit Baggern bearbeitet werden. Allerdings könnten eben diese eine Gefahr für das Kabel darstellen. Und natürlich die natürlichen Sedimentbewegungen, für die die Flüsse nun mal seit Urzeiten bekannt sind.

  • K
    Kreuzer

    Stromkabel unter Flüssen: Problem 1 durch Abwärme: Über eine Strecke von zB. 200 km würde sich ein Fluß wie die Weser um etwa 3 bis 5 Grad (!) aufheizen. Problem 2: Unbekannte Auswirkungen auf die Tierwelt in den Flüssen, wahrscheinlich zu groß. Problem 3: Stromquerende Leitungen gibt es mehr als man von außen sieht - sie alle müssen gesichert gekreuzt werden. Also: Strich drunter, ab in den Papiercontainer.

  • V
    vic

    Ih hab das Gejammer so satt.

    Mal geht`s um`s Landschaftsbild, mal um`s Ökosystem.

    Tatsache ist.

    Wer weder Atom noch Kohlekraftwerke will (wie ich) muss Alternativen im Kauf nehmen. Bei Funkmasten geht das doch auch.

    Dezentral ist zweifellos besser, wird aber noch etwas Zeit brauchen.