Bertelsmann an Schulen: Viel Geld und trotzdem keine Party
Klassenzimmer streichen oder AGs schaffen? Schüler entscheiden über einen Teil des Schulbudgets. Auf Kritik stößt, dass die Bertelsmann-Stiftung mitmischt.
BERLIN taz | Als Rektor Burkhard Ernst am ersten Schultag nach den Sommerferien zu Defne Gökdemir in die Klasse kam und die Summe verkündete, traute die 15-Jährige ihren Ohren kaum. 7.000 Euro darf sie zusammen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern für die Rietberger Realschule ausgeben. Für Dinge, die sie für wichtig halten. Ohne dass die Lehrer dazwischenfunken.
Um Schülersprecherin Defne haben sich gleich darauf die Ersten mit ihren Wünschen geschart. Vielleicht eine Schaukel auf dem Schulhof? Ein neuer Anstrich für die Klassenräume? „Die Toiletten zu erneuern wäre echt nötig. Aber ich halte mich erst einmal raus“, sagt Defne, ganz diplomatisch. Mit 7.000 Euro im Hinterkopf klingt die Zehntklässlerin wie eine richtige Politikerin: „Wir sammeln jetzt Ideen und werden dann gemeinsam zu einer Lösung kommen.“
Die 29.000-Einwohner-Stadt Rietberg in Ostwestfalen wagt ein Experiment: den Schülerhaushalt. An vier Schulen sollen die Schülerinnen und Schüler per Urabstimmung über einen Teil des Schulbudgets entscheiden. Unterstützt wird das Projekt von der Bertelsmann-Stiftung, die auch die Idee der Bürgerhaushalte in vielen Kommunen vorangetrieben hat. Der Schülerhaushalt spinnt die Idee weiter, dass die betroffenen Menschen selbst mitentscheiden, wofür ihre Stadt Geld ausgibt.
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Geld in den Händen Pubertierender
In Rietberg gibt die Stadt dem Gymnasium, der Haupt-, Real- und Förderschule jeweils 7.000 Euro zum normalen Schulbudget dazu. „Die Schulen können unsere 7.000 Euro aus ihrem regulären Budget weiter aufstocken oder Sponsorengelder einwerben“, sagt Hermann Lütkebohle, der die Schulabteilung im Rietberger Rathaus leitet.
An Defnes Schule überlegt Rektor Ernst, das Geld vom Sponsorenlauf, der bald ansteht, draufzulegen. Dann könnten es bis zu 14.000 Euro sein. 14.000 Euro in den Händen Hunderter Pubertierender. Kann das gut gehen?
„Wenn die Schüler sich mehrheitlich dafür entscheiden, mit dem Geld einfach nur eine Party für alle zu schmeißen, fände ich das weniger lustig“, sagt der Rektor. „Aber ich bin mir sicher, dass das nicht passieren wird.“ Er meint: „Wenn man Jugendlichen Verantwortung gibt, werden sie auch etwas Verantwortungsvolles damit anfangen.“ Und so schwärmt Ernst vom Projekt Schülerhaushalt als einer Demokratieschule.
Der Stadtrat segnet ab
Wenn er mit den Jugendlichen zu Landtagssitzungen nach Düsseldorf fährt, sind sie ganz entsetzt: Da fallen sich erwachsene Menschen ins Wort, schimpfen oder lesen demonstrativ Zeitung, wenn jemand am Rednerpult steht. Wenn die Jugendlichen selbst ein echtes Budgetrecht bekommen, dann verstehen sie auch, wie schwer das Ringen um die richtige Lösung ist.
Natürlich sind die Schülerinnen und Schüler am Ende nicht hundertprozentig frei in ihrer Entscheidung. Ihre Vorschläge müssen vom Stadtrat abgesegnet werden. Und immer sitzt die Bertelsmann-Stiftung mit am Tisch. Das ist es, was den Kritiker Felix Kamella stört. Er recherchiert beim Verein Lobbycontrol über den Einfluss der Wirtschaft auf Schulen und Kommunen. Die Idee des Schülerhaushaltes findet er zwar gut.
„Aber das macht eine Unternehmensstiftung nicht ohne Hintergedanken“, sagt er. „Solche Kampagnen sind Türöffner, für die nächste Gelegenheit hat man dann schon mal die Handynummer von den Schulleitern und Verwaltungsleuten.“ Und die Jugendlichen verbinden den Namen der Stiftung mit den neuen Schaukeln. Den bunten Klassenzimmern. Oder den Toiletten.
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