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Bert Schulz fragt sich, wie er den Fängen der Bürokratie entkommen kannHilfe, der Gesundheitscheck kommt!

Die Berliner Behörden machen einem ja manchmal Angst – schlicht, weil man nicht weiß, wie sie arbeiten (man könnte auch fragen, ob sie arbeiten, aber das nur am Rande). Ein schönes Beispiel ist der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst – kurz KJGD –, den alle Bezirke haben. Dessen erklärtes Ziel ist, „die Entwicklung von Säuglingen, Kleinkindern und Schulkindern zu begleiten und gesundheitliche Beeinträchtigungen frühzeitig zu verhindern bzw. zu erkennen, und entsprechende Hilfen anzubieten.“

Das erste Mal beehrt einen der KJGD meist nach der Geburt des ersten Kindes. Es gibt Eltern, die vor dem Besuch die Wohnung gründlich aufräumen und so sauber putzen wie nie zuvor – man weiß ja nicht, wer oder was auf einen zukommt.

Seit vor einigen Jahren „das verbindliche Einladungswesen zu den Kin­derfrüherkennungsuntersuchungen“ ein­geführt wurde, gibt es noch viele weitere Gelegenheiten, den KJGD kennenzulernen. Wer nicht rechtzeitig einen Termin beim Kinderarzt für eine der regelmäßig anberaumten Kinderuntersuchungen („U“s) organisiert, kriegt Post von der Charité, die einen auf diesen Termin aufmerksam macht. Der Brief enthält auch den Hinweis, dass bei einem weiteren Versäumnis ebenjener KJGD informiert wird, der dann recht bald einen Hausbesuch anbietet. Zum Abschluss der unmissverständliche Satz: „Wir wünschen Ihnen und Ihrem Kind alles Gute für die Zukunft!“.

Berliner Eltern sehr vergesslich

Wie in jedem guten Schreiben vom Amt steht auch darin eine Frist: Im konkreten Fall könne noch bis 3. Juni die Untersuchung vorgenommen werden. Allerdings würden, sollte bis zum 13. Mai keine Bescheinigung über eine erfolgte Untersuchung vorliegen, bereits oben genannte Maßnahmen – der KJGD kommt nach Hause – ergriffen. Dazu der Hinweis: „Bitte sehen Sie davon ab, vereinbarte Termine beim Kinderarzt mitzuteilen.“ Es gibt also – aller aufgeräumten Wohnungen zum Trotz – kein Entrinnen vor dem KJGD.

Wirklich nicht? Anscheinend sind die Berliner Eltern sehr vergesslich. „Rund 100.000 Erinnerungsbriefe verschicken wir jedes Jahr“, sagt Oliver Blankenstein, Mediziner an der Charité, der das Einladungswesen koordiniert. Und 20.000-mal werde der KJGD informiert. Angesichts von gut 200.000 Kindern unter sechs Jahren in Berlin sind das stattliche Zahlen.

Sie sind auch deswegen so hoch, erläutert Blankenstein, weil es bei der Erinnerung weniger um die Besorgnis geht, Kinder könnten vernachlässigt werden, als um die Einhaltung der Untersuchung an sich. Zumal viele Krankenkassen die Untersuchung nach überschrittener Terminfrist nicht mehr zahlen. Der zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit, nach deren Vorgaben die Charité in diesem Fall handle, sei es laut Blankenstein wichtiger gewesen, möglichst viele Eltern zu erreichen, als beim Porto zu sparen.

Angesichts solcher Vorgaben kann man sich denken, wie der KJGD arbeitet: jede Menge Termine anberaumen und – weil inzwischen wieder überflüssig – wieder absagen. Was man halt so macht als Behörde.

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