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Bernhard Pötter über die Ratifizierung des globalen KlimavertragsErst zu langsam, dann zu schnell

Im Klimaschutz war in den letzten 20 Jahren nur eines sicher: Es ging viel zu langsam voran. Der UN-Prozess war eine furchtbare Hängepartie. Irgendeiner bremste immer, zweifelte an den Fakten, torpedierte das Verfahren oder stieg gleich ganz aus. Das hat sich nun geändert. Mit rasender Geschwindigkeit und viel schneller als erhofft wird das Pariser Abkommen zum Klimaschutz vom Dezember 2015 derzeit von den UN-Staaten angenommen. Die Hürde von 55 Prozent der Länder plus 55 Prozent der Emissionen ist praktisch erreicht, seit nach den beiden größten Sündern China und USA nun auch Nummer drei und vier, die EU und Indien, an Bord sind. Hurra!

Jetzt gibt es das nächste Problem: Es geht viel zu schnell.

Für Eile gibt es gute Gründe. Die Klimakrise selbst legt mit Rekordtemperaturen einen Zwischenspurt ein. Bevor Donald Trump US-Präsident werden könnte, soll das Paris Abkommen in trockenen Tüchern sein. Das ist alles verständlich. Aber Hektik kann gefährlich sein. Denn das Abkommen gilt ohnehin erst ab 2020. Und bis dahin sollte eigentlich in Ruhe das wichtige Kleingedruckte verhandelt werden: Wie sind die Klimapläne vergleichbar zu machen? Wie wird gemessen, welche Länder zu wenig tun und zu langsam sind? Wo genau soll das Geld herkommen, welche Rolle sollen „Marktmechanismen“ wie Emissionshandel haben? Alles unklar bisher. Ohne eine genaue und sorgfältige Klärung dieser Details droht das Abkommen zum Papiertiger zu werden. Nichts wäre für den Klimaschutz schlimmer.

Wenn jetzt alle feiern, könnte sich außerdem wichtige Länder wie Russland oder Japan, die noch nicht ratifizieren, ausgeschlossen fühlen. Und vor allem darf der Jubel für den Klimadeal nicht vortäuschen, es würde bereits dann viel zur Bekämpfung der Krise getan, wenn feierlich Papiere unterzeichnet werden. Die Arbeit fängt erst an. So ehrlich und realistisch sollten wir bei aller Begeisterung bleiben.

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