Bernd Pickert über die Anschläge auf Polizisten in den USA: Die neue Tagesordnung
In den letzten zwei Jahren schien es, als würden die USA aufhören, ungezügelte Polizeigewalt gegen Schwarze hinzunehmen. Mit einem schwarzen Präsidenten, der – zusehends frustriert – dennoch die richtigen Worte fand, und mit den #Blacklivesmatter-Protesten, die anders als früher nicht einfach Wutausbrüche waren, sondern eine demokratische Basisbewegung, schien das Thema es nach ganz oben zu schaffen.
Doch dann kamen das Heckenschützenattentat von Dallas mit fünf toten Polizisten. Und am Wochenende die Schüsse von Baton Rouge mit drei getöteten Beamten. Wieder fand Präsident Barack Obama die richtigen Worte, und wie er sprachen viele davon, wie wichtig jetzt Heilung und Vertrauensbildung seien.
Es wird nur nichts nutzen. Denn all das geschieht nicht im luftleeren Raum. In dieser Woche feiern die Republikaner in Cleveland die Nominierung eines Präsidentschaftskandidaten, dem zum komplizierten Verhältnis Bürger*innen/Polizei nur einfällt, in Großbuchstaben immer und immer wieder LAW AND ORDER! zu twittern. Aber es bräuchte noch nicht einmal den Aufstieg eines Donald Trump. Auch vor ihm hat die US-Politik in den vergangenen Jahren eine niederschmetternde Handlungs- und Reformunfähigkeit bewiesen.
Im Ergebnis sind die Menschen einerseits fest überzeugt von ihren oft hochideologischen Standpunkten. Aber gleichzeitig fühlen sie sich vollkommen verunsichert, weil diese Überzeugungen nicht ausreichen, um die Welt zu verstehen oder Ansatzpunkte für Veränderungen zu finden.
Ob Waffenkontrolle, Investitionen im Sozialbereich, Strafrechts- und Justizreform oder Polizeiausbildung – aus Washington kommt stets Gezänk, aber kein Gesetzesvorhaben. In dieser politischen Elite sind die Aufrufe zur Besinnung nach jedem Massakern längst Routine. Man kann nicht einmal beklagen, dass zu schnell zur Tagesordnung zurückgekehrt würde. Es ist ja längst die Tagesordnung.
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