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Die WahrheitWas costaricat die Welt?

Was für ein warmer und warmherziger Flecken Erde mitten in Mittelamerika. Eine kleine Kakaoreise durch das Land der lebenslustigen Ticos.

E ine neue Regel bestimmt gerade mein Leben: „Was nass ist, bleibt nass!“ Denn hier ist zwar gerade Trockenzeit, dafür regnet es beachtlich in diesem sehr, sehr warmen Land. Und alles, was nass ist, bleibt eben nass.

Ich bin in Costa Rica. Mitten in Mittelamerika. Dabei wollte ich gar nicht hierher. Ich reise lieber in den Norden, nach Finnland. Aber meine Liebste hatte argumentiert, wir seien hier immer noch 1.083 Kilometer nördlich des Äquators, also immer noch auf der nördlichen Erdhalb­kugel. Damit, versuchte ich dagegen zu halten, wären wir immerhin 8.923 Kilometer vom Nordpol entfernt. Nördlich sei nördlich, erklärte sie. Ich gab nach.

Ich sehe momentan vor mir den Arenal, „den“ Vulkan in Costa Rica. Genauso sagenhaft wie der schwarze Jaguar. Es soll beide geben, aber niemand hat sie bisher gesehen.

Seit Columbus im Jahr 1502, nachdem er sich verfahren hatte auf dem Weg nach Indien, hier erstmals anlandete, war der Arenal stets komplett im Nebel. Nun, nach drei Tagen Dauerregen, steht er plötzlich, zum ersten Mal sichtbar für die Menschheit, in unfassbarer Schönheit vor uns. Durch die dauerhaft vernebelte Spitze wusste man vor seiner Erstbesteigung im Jahr 1937 nicht mal, dass er ein Vulkan ist.

Auf dem Weg zum Arenal waren wir auf der Kakaoplantage Finca La Amistad – übersetzt: „Freundschaft“. Als Sohn eines Milchmädchens, aufgewachsen mit dem Einrühren von Nesquik in die Milch, bin ich schwer beeindruckt davon, wie viel Arbeit Kakao macht. Jetzt weiß ich, dass 999 Kakaoblüten umsonst blühen und jede nur 24 Stunden darauf warten kann, ob der „Pacific mosquito“ sie bestäubt! Für Kolibris, selbst Bienen sind die Blüten zu klein!

In Costa Rica ist alles „pura vida“. Ein Fest der Lebenslust und guten Laune. Jeder strahlt. „Pura vida“ ist Zauberwort, Begrüßung, Kommentar und Abschied. Es kann „Dafür nicht!“ heißen oder „Schiet watt up!“, wie wir Ostwestfalen sagen, wenn uns mal wieder alles egal ist.

Egal ist den Ticos, wie sich die Einwohner nennen, jedenfalls ihr Land nicht. Auf nur 0,03 Prozent der Landfläche der Erde leben und wachsen 5 Prozent ihrer Artenvielfalt. Seit sieben Jahren bezieht das Land zu 98 Prozent reinen Ökostrom. „Unsere Armee sind unsere Schulen“, heißt es hier. 1948 wurde das Militär abgeschafft. Dieses Geld fließt in Bildung und ökologische Entwicklung. Während wir reisen, hat Deutschland ein Finanzpaket beschlossen mit Milliarden für die Rüstung. Wie viel geht bei uns in die Bildung?

Ich fühle mich plötzlich als Biologe in einem Land mit 50 Kolibri-Arten. Wir sehen Tucans, Aras, Quetzals, Copybaras und Nasenbären. Und dann – überraschend wie der Anblick des Arenal – ein schwarzer Jaguar! Unfassbar! Auf der Halbinsel Osa läuft das mythen­umwobene Tier plötzlich über die Straße. Wenn ich schon nicht in Finnland bin, wird mir wenigstens ein schwarzer Jaguar geboten. Pura vida!

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Bernd Gieseking
Der Kabarettist und Autor Bernd Gieseking steht seit über zwanzig Jahren auf der Bühne. Er schreibt Kolumnen für die »Wahrheit«-Seite der »taz«, Kinderhörspiele für den WDR Hörfunk sowie Bücher – und die am liebsten über Finnland: »Finne Dich Selbst!« und »Das kuriose Finnland-Buch«, alle erschienen im Fischer Verlag. Wenn er nicht schreibt, dann tourt er mit seinen Kabarettprogrammen »Gefühlte Dreißig«, »Finne Dich Selbst!« sowie - jeweils in den Wintermonaten - mit seinem alljährlichen satirischen Jahresrückblick »Ab dafür!« durch die Republik.
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