: Berlusconi muß vor den Kadi
Das Gericht nimmt die Anklage gegen Italiens Ex-Ministerpräsident und Medienmogul an. Der Vorwurf: Bestechung von Finanzbeamten in Höhe von mehreren hunderttausend Mark ■ Aus Rom Werner Raith
Zu dem für ihn sicher bedeutendsten Termin seit seinem Sturz mochte Italiens ehemaliger Ministerpräsident, Chef der „Forza Italia“ und noch immer unumschränkter Herrscher über das nationale Privatfernsehen, nicht persönlich erscheinen. Geradezu fluchtartig verschwand Silvio Berlusconi am Samstag dorthin, wo er noch immer die meiste Nestwärme vorfindet: in den Aufenthaltsraum seiner Kicker vom AC Milan. Dort erreichte ihn dann die schlimme Kunde: Er muß wegen des Vorwurfs der Korruption vor Gericht, und das Anfang des kommenden Jahres, wo seiner Ansicht nach eigentlich der Wahlkampf hätte beginnen sollen.
Der Voruntersuchungsrichter in Mailand – anders als in der Bundesrepublik, wo über die Annahme einer Anklage das Gericht entscheidet, gibt es in Italien eine Zwischeninstanz – konnte sich den vom Ermittlungsführer Gherardo Colombo vorgebrachten Verdachtsmomenten nicht verschließen. Danach soll Silvio Berlusconi von der – von seinen Managern und seinem Bruder bereits gestandenen – Bestechung von hohen Beamten der Finanzwache zwecks Steuerminderung gewußt haben.
Berlusconi bestreitet wie seit jeher alles und behauptet, es handele sich nur um ein politisches Komplott. In den vergangenen Wochen hatte Berlusconi noch einmal alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das seit Juli laufende Verfahren über die Annahme der Anklage noch zu wenden. Justizminister Mancuso, der als Freund Berlusconis gilt, hat die Mailänder Ermittlungsgruppe „Saubere Hände“ mit wahren Salven von ministeriellen Inspektionen eingedeckt und gegen den Ankläger Gherardo Colombo gar ein Disziplinarverfahren beim Oberster Richterrat beantragt. Ein Anruf, mit dem der Chef der Mailänder Ermittlergruppe, Borelli, den italienischen Staatspräsidenten im November 1994 über die Absendung eines Ermittlungsbescheides an Berlusconi informiert hatte, wird vom Minister nun als Bruch des Ermittlungsgeheimnisses ausgelegt. Und das, obwohl dieses bereits vor sechs Jahren abgeschafft wurde und Berlusconi zu jenem Zeitpunkt von den Carabinieri bereits ausdrücklich über das Vorliegen des Bescheides informiert worden war.
Berlusconis Hauptthese: Die gesamte Anklage basiere auf keinerlei Beweisen, sondern sei lediglich eine logische Deduktion Marke „Er muß es gewußt haben“, ohne daß irgend etwas wirklich bewiesen ist. Doch die Anklage stützt sich auf relativ starke Indizien, die, sofern sie nachgewiesen werden, über die bloße logische Herleitung hinausgehen: Einer der obersten Manager der Berlusconi-Holding Fininvest hat bei seinem Geständnis davon gesprochen, die Schmiergelder seien „den Brüdern Berlusconi bekanntgemacht worden“ – später hat er dies allerdings nur noch auf Silvio Berlusconis jüngeren Bruder Paolo bezogen.
Zweites Indiz: Ein Rechtsanwalt, der als Berlusconis Mann fürs Grobe gilt, besuchte diesen in seiner Zeit als Ministerpräsident in Rom – und begann unmittelbar danach eine frenetische Telefoniertätigkeit, um die Schmiergeldzahlung zu verschleiern. Offenbar hatte er nicht geglaubt, schon unter Überwachung zu stehen. Allerdings bestreitet Berlusconi, mit ihm gesprochen zu haben. Daß er im Amt des Ministerpräsidenten war, belegen jedoch die Zugangsregister.
Das dritte Element, das dem Vorermittlungsrichter eine Anklage als aussichtsreich erscheinen ließ: Nach den Ermittlungen der Staatsanwälte hat Paolo Berlusconi nahezu nie wichtige Finanzentscheidungen getroffen, für alle größeren Fragen wurde stets Fininvest-Chef Silvio Berlusconi selbst angegangen. Im Falle der Bestechung der Finanzbeamten aber war es um Summen gegangen, die sich auf umgerechnet mehrere hunderttausend Mark belaufen.
Die politischen Parteien halten sich deutlich mit Wertungen zurück: die Linke will nicht durch Vorverurteilungen die Komplott- These stützten, und in Berlusconis Rechtsallianz ist zunächst verbale Solidarität angesagt. Allerdings wird hinter der Hand längst die Frage diskutiert, ob man mit einem Mann in die Wahl ziehen kann, der just in dieser Zeit seine ganze Kraft einem Gerichtsverfahren widmen muß. Und vielleicht nicht nur diesem: Noch schweben weitere sechs Verfahren, die in den nächsten Monaten vor den Voruntersuchungsrichter kommen werden.
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