piwik no script img

Berlusconi erobert deutsche SenderWarum Weimer Berlusconis ProSiebenSat.1-Deal bejubelt

Media for Europe übernimmt die Mehrheit an ProSiebenSat.1 und verspricht redaktionelle Freiheit. Doch die Sicherheiten sind so dünn wie das Programm.

Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer (l) empfängt den italienischen Medien-Unternehmer Pier Silvio Berlusconi, Berlin, am 2.9.2025 Foto: Kay Nietfeld/dpa

W eimer und Berlusconi bekräftigen gemeinsame Linien zur Zukunft von ProSiebenSat.1“, teilte das Bundesstaatsmysterium für Kultur und Medien (BKM) am Dienstag mit. Fragt sich jetzt bloß, ob die nicht irgendwann wieder fallengelassen werden. Jedenfalls war Pier Silvio Berlusconi bei Wolfram Weimer und hat das kleine Gießener Ehrenwort mit viel Schall und noch mehr Rauch abgelegt.

Berlusconis Konzern Media for Europe (MFE) übernimmt die Mehrheit bei ProSiebenSat.1 und garantiert „die Wahrung redaktioneller und journalistischer Freiheit“. MFE möchte mit der deutschen Sendergruppe „ein lokaleres Angebot produzieren […], das noch stärker auf das deutsche Publikum zugeschnitten ist“.

Das heißt zukünftig vermutlich weniger US-Ware bei ProSieben, Sat.1, Kabel & Co. Aus den Simpsons wird „Die Haseloffs von nebenan“, US-Programm ist ja auch teuer. „Redaktionelle Unabhängigkeit ist von zentraler Bedeutung – sie darf nicht angetastet werden. Wir sind in diesem Punkt einer Meinung, und das ist eine gute Voraussetzung für ein gelingendes Engagement im deutschen Medienmarkt“, ließ Weimer pressemelden.

Bisher gibts bei P7S1 ja eh wenig Programm, wo „redaktionelle Unabhängigkeit von zentraler Bedeutung“ ist. „Ach, hat die Medienwelt wieder eine Tüte bunte Gummibärchen mehr ohne Geschmack“, sagt die Mitbewohnerin.

„Wer in Deutschland einen Sender betreibt, trägt Verantwortung – für Arbeitsplätze, für das Entrichten von Steuern und für unsere kreative Infrastruktur“, so Weimer. Aufs Programm kommt’s ja nicht so wirklich an. „Dass MFE diese Verantwortung in Deutschland wie auch in Italien und Spanien übernimmt, freut uns“, heißt es. Klar, in Sachen Steuern und Flunkern kennen sich die Berlusconis aus.

Nur ein Gummibärchen

Weimer flunkert auch. Neulich machte er sich noch große Sorgen, dass der Medienstandort München-Unterföhring geschleift wird. Und jetzt feiert er mit. Welche Sicherheiten es für Berlusconis aktuelle Zusagen gibt, ist völlig offen.

Nun ist das alles nicht neu. Schon Piers Papa Silvio wollte ja aus seinen Sendern und ProSiebenSat.1 das große Europa-TV bauen, seinerzeit noch mit Leo Kirch. Damals drehte die deutsche Politik steil, weil Berlusconi senior gerade im Nebenjob italienischer Ministerpräsident war. Ein Regierungs- als Senderchef hätte die Staatsferne des Rundfunks vor ganz neue Herausforderungen gestellt.

Sohn Pier hatte bis neulich eigene politische Ambitionen tapfer dementiert, allen Avancen einschlägiger Parteien von Forza bis Lega zum Trotz. Anfang Juli sagte er aber bei einem MFE-Event zur Politkarrierefrage, er wolle „es für die Zukunft aber nicht ausschließen. Mein Vater war 58, als er in die Politik ging. Ich bin jetzt 56.“

Wolfram Weimer, der mit 60 in die Politik ging, müsste das eigentlich zu denken geben. „Aber er ist ja auch nur ein Gummibärchen“, meint die Mitbewohnerin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

0 Kommentare