piwik no script img

Berlins Innensenator über Vidoeüberwachung"Beim Beten muss Staat abschalten"

Auch islamische Geistliche sollen Schutz vor Videoüberwachung genießen, sagt Berlins Innensenator Körting. Und findet, das BKA dürfe nur für sehr schwere Terrorgefahr zuständig sein.

Prophezeit Streit zwischen Bund und Ländern wegen des BKA-Gesetzes: Berlins Innensenator Körting Bild: dpa
Daniel Schulz
Interview von Daniel Schulz

taz: Herr Körting, in Berlin gestattet ein Landesgesetz die Videoüberwachung von Wohnungen. Warum kritisieren Sie dann, dass dies dem Bundeskriminalamt auch erlaubt werden soll?

Ehrhart Körting: Ich kritisiere gar nicht, dass es diese Befugnis für das BKA geben soll. Ich bin aber dafür, kritisch zu prüfen, ob die zulässigen Grenzen eingehalten werden. Als Voraussetzung für das Abhören von Wohnräumen muss ganz klar entweder Lebensgefahr oder eine Gefährdung der Allgemeinheit drohen. Diese Grenzen werden durch das Grundgesetz und Urteile des Bundesverfassungsgerichtes definiert. Und gefilmt werden darf nur, was auch abgehört werden darf.

Das heißt aber auch, dass Ärzte und Geistliche nicht gefilmt werden dürfen?

Wenn sie ein Gespräch mit einem Klienten führen, welches Vertrauensschutz genießt, muss die Kamera abgeschaltet werden.

Die Union will diesen Vertrauensschutz nicht für muslimische Geistliche gelten lassen, weil der Islam keine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft ist.

Dieser Meinung bin ich nicht. Man kann muslimischen Geistlichen nicht die Rechte ihrer christlichen Kollegen aus formalen Gründen verweigern.

Warum haben Sie ein solches Gesetz in Berlin überhaupt?

Unter anderem, um unsere Beamten besser schützen zu können. Wenn diese verdeckt in einer gefährlichen kriminellen Organisation ermitteln und ihnen die Gefahr der Aufdeckung droht, sind die Kollegen in der Lage, schnell einzugreifen, weil sie die Situation frühzeitig erkennen können. Solche Ermittlungen sind aber selten, deswegen kommt die Kameraüberwachung sehr selten zum Einsatz.

Aber im Fall der Sauerland-Attentäter hätte man die schon gebrauchen können, oder?

Gerade in diesem Fall hätte sie wahrscheinlich wenig genutzt. Die Ermittlungsleitung hat die akustische Überwachung abgebrochen, als einer der Männer anfing zu beten. Das wurde später als Problem empfunden, denn man konnte nicht verfolgen, was die Männer in dieser Zeit taten. Fakt ist aber, dass in diesem Fall auch eine mitlaufende Kamera hätte abgeschaltet werden müssen. Denn Beten zählt nun einmal zum Kernbereich privater Lebensführung, und da hat der der Staat nichts zu suchen.

Warum erweckt die SPD bei Sicherheitsgesetzen des Öfteren den Eindruck, sie wisse nicht genau, was sie wolle?

Die SPD ist weder auf der Seite der Befürworter des Überwachungsstaates noch auf der Seite der Menschen, die jede Änderung der Sicherheitsgesetze gleich für Teufelswerk halten. Unsere Positionen finden sich dann nicht ohne Grund in den Urteilen der Gerichte wieder. Wir sind die Stimme der Vernunft, die hat es nicht immer leicht.

Bei der Videoüberwachung waren manche SPD-Abgeordnete erst dagegen, später dafür. Bei der Onlinedurchsuchung erweckte die Partei erst den Eindruck, sie stehe dem kritisch gegenüber, dabei stimmte die Mehrheit ihrer Abgeordneten der Maßnahme zu.

Die Äußerungen einiger Parlamentarier möchte ich hier nicht kommentieren.

Welche Konflikte mit der Union wird es beim BKA-Gesetz noch geben?

Die Konflikte werden sich eher zwischen Bund und Ländern bei der Kompetenzverteilung zeigen. Ich möchte genau geregelt haben, dass der Bund nur für terroristische Gefahren zuständig ist, welche Deutschland als Ganzes bedrohen. Für doppelte Arbeit sind unsere Ressourcen zu knapp.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!