Berlins Großflughafen: Der Blindflieger
Aufsichtsrat Bomba hat sich bei der Kontrolle der Geschäftsführung auf deren Angaben verlassen. Neue Zahlen über Kosten nennt er Spekulation.
Rainer Bomba hat ein seltsames Verständnis von Kontrolle. Der CDU-Politiker ist Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und seit gut zweieinhalb Jahren sitzt er bei der Flughafengesellschaft im Aufsichtsrat. Dieses Gremium hat die Geschäftsführung zu überwachen. Nach Ansicht von Bomba reicht es aus, diese kritisch zu befragen, ob die Probleme wirklich rechtzeitig in den Griff zu bekommen sind – und dann alles zu glauben, was ihm geantwortet wird. „Wenn der technische Geschäftsführer mir sagt, dass es eine Lösung gibt, dann bin ich nicht bösgläubig“, sagte Bomba am Freitag im BER-Untersuchungsausschuss.
Bei seiner Befragung ging es vor allem um die Zeit vor dem 3. Juni 2012 – die für diesen Tag geplante Flughafeneröffnung wurde vier Wochen vorher abgesagt. Inzwischen wisse er, dass die damalige Geschäftsführung um Rainer Schwarz und und Manfred Körtgen den Aufsichtsrat „falsch informiert“ habe. Zum Beispiel sei verschwiegen worden, dass die Bauaufsichtsbehörde gegenüber der Flughafengesellschaft deutlich gewarnt hatte, welche Probleme es mit der rechtzeitigen Genehmigung für den Start des Flughafens gibt.
Ein Abgeordneter fragte Bomba, warum er vorher nicht selbst mit der Bauaufsicht gesprochen habe? „Das wäre ein außerordentlich ungewöhnlicher Vorgang“, meinte der. Auch mit dem Projektsteuerer habe er damals nie direkt gesprochen. Die Flughafengesellschaft sei ein „hierarchisch aufgebautes Unternehmen“. Sein Ansprechpartner sei die Geschäftsführung gewesen. Die habe dann seine Fragen weitergegeben an die Bereichsleiter, die dann wieder an ihre Untergebenen, und auf dem Weg kam auch die Antwort wieder zurück. An einer Stelle sagte er: „Wen hätten wir denn anders fragen sollen? Es gab ja keine andere Geschäftsführung!“
Rückblickend sah Bomba das selbst kritisch. „Vielleicht hätten wir auch mal einfach einen Bauarbeiter in den Aufsichtsrat einladen sollen und sagen: Jetzt lassen wir die Geschäftsführung mal draußen und erzählt doch mal.“
Die Forderung nach mehr Expertise im Aufsichtsrat unterstützte Bomba. Er habe selbst versucht, erfahrene Flughafen-Manager zu gewinnen. Es sei aber niemand zu der ehrenamtlichen Arbeit an einem mit Pannen vorbelasteten Projekt zu gewinnen gewesen.
Einen Bericht der Bild-Zeitung wies Bomba zurück. Das Blatt hatte am Freitag berichtet, ihm liege ein Bericht des BER-Projektsteuerers WSP/CBP vor, laut dem es Kostensteigerungen von 1,1 Milliarden Euro gebe und die Gesamtkosten bei rund 5,7 Milliarden Euro lägen. Bomba: „Der letzte Stand, den wir schon im Sommer hatten, liegt bei 4,3 Milliarden. Wir wissen, dass es mehr werden kann. Aber alles, was jetzt kommt, ist Spekulation. Es kursieren ja Zahlen von bis zu zwei Milliarden, von 500 Millionen, oder dass es gar nicht teurer wird. Das ist Nebelstocherei.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin