Berlins Clubszene: Tatsächlich Schluss im Mensch Meier
Der linksalternative Traditionsklub gibt auf. Die Location an der Storkower Straße in Prenzlauer Berg soll der benachbarte Club Anomalie übernehmen.
Aber ab heute ist das Mensch Meier Geschichte, und damit heißt auch Simone mit Nachnamen nur noch Müller oder sonst wie. Denn der Club hat es wirklich getan: Er hat sich selbst abgewickelt. Angekündigt hatte er das schon lange, aber so richtig wollte man nie glauben, dass es ihm todernst damit war.
Am Wochenende lief nun wirklich die ultimativ letzte Party im Mensch Meier, drei Tage und Nächte nonstop. Viele Weggefährten und Mitstreiter aus den letzten zehn Jahren legten noch einmal auf. Man versammelte sich ein letztes Mal im Clubgarten, in dessen Begrünung viel Liebe und Arbeit gesteckt wurden. Und man verabschiedete sich von der sogenannten „Räuberhöhle“, einem Raum mit Dancefloor, der, wie alles im Club, von Mitgliedern selbst zusammengezimmert wurde.
Kläglicher Einheitslohn
Mit dem Mensch Meier verliert Berlin einen seiner am konsequentesten linksalternativen Orte. Der Idee, mehr als nur Partys steigen zu lassen, wurde hier mit einer Passion nachgegangen, die in Richtung Selbstaufopferung ging. Alle wichtigen Entscheidungen wurden in Plena getroffen, immer wieder wurden Solidaritätsveranstaltungen organisiert. Niemals wäre infrage gekommen, den Laden unter der Woche an Fremdveranstalter zu vermieten, wie es in Berliner Clubs inzwischen ziemlich üblich ist. Am Wochenende gegen den Kapitalismus raven, und unter der Woche schmeißt hier die Junge Union ein Event in einer originellen Location? So etwas war hier ausgeschlossen.
Zum Teil liegt es sicher auch an dieser kompromisslosen Haltung, dass das Mensch Meier nun Geschichte ist. Der Einheitslohn, den man sich ausbezahlen konnte, fühlte sich seit der Inflation in den letzten Monaten noch etwas kläglicher an als schon zuvor. Gleichzeitig wollte man nach Corona nicht die Eintritts- und Getränkepreise bis zur Schmerzgrenze erhöhen wie andere Clubs in Berlin. Das Mensch Meier sollte immer ein sozialer, für alle zugänglicher Ort sein. Bevor man dieses Versprechen auch an sich selbst nicht mehr einlösen konnte, hat man jetzt das Projekt lieber beendet. Respekt! Aber auch sehr bedauerlich. Denn dass es solch einen Ort noch einmal geben wird in Berlin, zumindest in solch einer innerstädtischen Lage, ist ziemlich ausgeschlossen.
In den letzten Monaten versuchte das Clubkollektiv, das bekannt gegeben hatte, geschlossen abtreten zu wollen, dem Eigentümer der Location Nachfolger schmackhaft zu machen, die den Laden wenigstens im Geiste des Mensch Meier fortführen würden. Doch nun ist klar: Daraus wird nichts.
Simone, die nun nicht mehr Meier mit Nachnamen heißt, nennt das, was nun in die Storkower Straße 121 einziehen wird, eine „Diskothek“. Und das ist das schlimmste Schimpfwort in der Berliner Clubszene. Diskotheken sind aus dieser Sicht Läden, in denen Frauen nur halben Eintritt bezahlen und DJs geschmacklose Partyhits auflegen. Was jetzt kommen werde, so Simone, werde „nichts mit dem zu tun haben, was wir gemacht haben. Alternative Subkultur wird das nicht mehr sein.“
Nachbar wird Nachfolger
Simone druckst am Telefon herum. Wer der Nachfolger denn nun genau sein werde, wolle sie noch nicht verraten. Dabei hat das Mensch Meier diesen in einem Newsletter selbst mittlerweile bekannt gegeben: Der Club Anomalie, bislang direkter Nachbar des Mensch Meier, übernimmt. Die Anomalie ist ein Club, der auf Subkultur und Kunst macht, aber sehr kommerziell ausgerichtet ist. Simone will das lieber nicht bewerten: „Wir wünschen denjenigen, die nach uns kommen, viel Erfolg.“ Und fügt hinzu: „Ein klarer Schnitt kann vielleicht auch gut sein.“
Bis Ende Januar wird das Kollektiv des Mensch Meier in seinen alten Räumlichkeiten noch weitere Partys schmeißen, auch an Silvester. Aber nicht mehr als Mensch Meier, sondern als „Storkower Straße 121“ in der Zwischennutzung. Danach ist der Traum endgültig aus.
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