Berliner grüne Jugend gegen Schwarz-Grün: "Die CDU ist die dunkle Seite der Macht"
Die Grüne Jugend fürchtet im Künast-Hype um das linke Profil ihrer Partei. Ihre SprecherInnen Madeleine Richter und Armin Feistenauer fordern mehr Radikalität. Eine Koalition mit der CDU ist für beide tabu.
taz: Frau Richter, Herr Feistenauer, haben Sie eigentlich gerade im Wendland gegen den Castortransport protestiert?
Madeleine Richter: Ja.
Armin Feistenauer: Klar.
Armin Feistenauer (23) ist seit 2009 Sprecher des rund 400 Mitglieder starken Berliner Landesverbands der Grünen Jugend. Er studiert Informatik an der FU.
Madeleine Richter (21), seine Kovorsitzende, ist seit diesem Frühjahr im Amt. Sie studiert Psychologie, ebenfalls an der FU.
So klar war das nicht. Renate Künast etwa war nicht da. Angeblich war sie lieber shoppen, statt wie Sie dort im Regen zu stehen. Wie finden Sie das?
Richter: Schade. Aber das ist ihre persönliche Entscheidung, da muss sie wissen, wo ihre Schwerpunkte liegen. Ich persönlich fand es extrem wichtig, da zu sein.
Es gibt ja die Vermutung, Frau Künast sei deshalb nicht da gewesen, um keine bürgerlichen Wähler zu vergrätzen. Zugleich titelt der Spiegel diese Woche über die Grünen: "Die neue deutsche Volkspartei".
Richter: Da habe ich ein Gänsehautfeeling, da läuft mir ein Schauer den Rücken runter - aber nicht vor Begeisterung. Ich frage mich schon, was das für Konsequenzen hat und wohin sich die Partei bewegt.
Was befürchten Sie denn?
Richter: In meinen schlimmsten Albträumen ist es so, dass wir unser linkes Profil verlieren.
Sie fürchten um das linke Profil, der scheidende Bundeschef der Grünen Jugend sorgt sich um das linke Programm - was heißt denn "links" konkret?
Feistenauer: Da ist zum Beispiel die Diskussion über Hartz IV. "Links" heißt für mich, zu sagen, dass das Prinzip des Förderns und Forderns gescheitert ist. "Links" heißt für mich, nicht auf Kosten der Armen Politik zu machen. Die Grüne Jugend hätte ja auch gern ein Grundeinkommen.
Festhalten am linken Programm - auch auf Kosten von Wählerstimmen?
Richter: Auf jeden Fall. Klar, die Welt verändert sich, aber man muss sich zu gewissen Grundwerten bekennen und da auch eine gewisse Radikalität zeigen - radikal im Sinne von: bei den Wurzeln bleibend. Natürlich kann man dadurch Wähler verschrecken, aber das ist man sich auch schuldig, wenn man authentisch bleiben will.
Feistenauer: Ich glaube, dass die Grünen gerade deshalb so erfolgreich sind, weil sie ihre Linie so konsequent vertreten und nicht wie der CSU-Chef Seehofer ihre Meinung der Stimmung anpassen. Wir müssen anecken, bei den Grünen muss gelten: Nicht wir passen uns den Leuten an, sondern wir überzeugen die Leute von unseren Ideen. Im Zweifelsfall verkaufen wir uns nicht.
Dass Sie lieber authentisch sein und auch Stimmenverluste in Kauf nehmen wollen - haben Sie das auch Frau Künast so gesagt? Die braucht jede Stimme, um Regierende Bürgermeisterin zu werden.
Feistenauer: Natürlich würde auch die Grüne Jugend nicht fordern, dauernd in Opposition zu sein. Renate Künast sagt: Wir machen es an den Inhalten fest, das sagt jeder, das kann jede Partei unterschreiben. Die Frage ist, wie viele Punkte man hat, die nicht verhandelbar sind. Da ist die Grüne Jugend radikaler und sagt eher: Dann lassen wir es ganz bleiben.
Löst Künast denn bei der Grünen Jugend echte Begeisterung und Euphorie aus?
Richter: Das ist sehr unterschiedlich.
Feistenauer: Es gibt Kritiker, denen das Verfahren nicht gefällt, wie sie Spitzenkandidatin geworden ist, und denen es auch nicht gefällt, dass wir nun schon wieder eine Reala als Spitzenkandidatin haben. Da muss man aber einschränkend sagen: Die Alternative zu ihr wären zwei andere Realpolitiker gewesen …
… Volker Ratzmann und Ramona Pop.
Feistenauer: … da wäre also für die Linke auch nichts zu gewinnen gewesen. Aber als Renate Künast jetzt zu Besuch bei uns war, hatten wir mit 70 Leuten ein volles Haus - normalerweise sind wir 30, 35. Sie wurde auch mit Applaus begrüßt. Eine gewisse Begeisterung ist also schon da - nicht unbedingt für ihre Positionen, aber für die Möglichkeiten, die sie den Grünen eröffnet. Wenn sie uns an die Regierung bringt, dann können wir auch mit ihr leben.
Inzwischen haben auch linke Grüne, für die eine Koalition mit der CDU lange tabu war, kein Problem mehr, über so ein Bündnis zu reden. Die einst klare Front ist aufgeweicht.
Feistenauer: Bei der Grünen Jugend hält sie noch.
Richter: Egal ob Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz - mit so was kann man bei uns nicht ankommen.
Feistenauer: Unser Landesverband würde zerbrechen, weil so viele Aktive keine Lust mehr hätten und wegbleiben würden. Das wäre anders als bei Schwarz-Grün in Hamburg, wo es zwar auch Widerstand gab, aber mehr auch nicht.
Wenn sich die Grünen also zwischen Rot-Grün und Grün-Schwarz entscheiden müssten, wären Sie lieber kleiner Partner der SPD statt Chef in einer Koalition mit der CDU?
Feistenauer: Auf jeden Fall. In der ganz großen Mehrheit gibt es bei uns keine Sympathien, mit der CDU zusammenzugehen.
Richter: Die CDU, das ist die dunkle Seite der Macht.
Sie haben doch vorhin so viel Wert auf Wahrhaftigkeit gelegt. Renate Künast unterstellt Klaus Wowereit Lustlosigkeit und wirft ihm vor, Berlin sei blockiert. Wäre es noch glaubwürdig, ihm nach der Wahl zu helfen, dass er im Amt zu bleibt?
Feistenauer: Wenn am Ende mehr Leute die SPD wählen und sie vor den Grünen liegen sollte, dann ist sie eben die stärkere Partei, dann muss man das in einer Demokratie akzeptieren. Eine absolute Mehrheit werden wir nicht bekommen, also brauchen wir noch jemanden und nehmen eben die Partei, mit der wir die größte Schnittmenge habe. Und das ist die SPD oder vielleicht die Linke.
Die Linke?
Feistenauer: Ja. Es ist zwar immer nur von der SPD die Rede, vielleicht um die Wähler nicht zu erschrecken - aber vielleicht haben wir ja mit der Linken noch mehr gemeinsam. Das hätte noch einen großen Vorteil: Die Linke ist ja immer noch eine Ostpartei, wo die Grünen weiterhin ein bisschen ein Problem haben. Zusammen könnten wir Berlin besser abbilden. Von daher würde ich allen, die mit Grün-Schwarz ankommen, entgegenhalten: Wieso nicht Grün-Dunkelrot?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin