piwik no script img

Berliner Wochenkommentar IDringlich langes Warten

Der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) kommt an den Blücherplatz. Und irgendwann wird er sogar gebaut.

Hier wird dann alles zusammengelegt: die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz Foto: dpa

Das sei „eine der drängendsten Investitionen in unserer Stadt“, hat Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) am Dienstag über den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) gesagt, der ihre zwei bisherigen Standorte samt Magazin zusammenführen soll. Wenige Stunden zuvor hatte der Senat entschieden, dass diese so drängende Investition am Blücherplatz passieren soll, an und mit der dortigen Amerika-Gedenkbibliothek, einem der beiden jetzigen ZLB-Bauten.

Das mit dem „drängend“ hatte etwas Satirehaftes, weil der Kultursenator auch auf den Zeitplan für das Projekt zu sprechen kam. „Mitte der 2020er Jahre“ nannte er als Datum: Dann, in vielleicht sieben Jahren, soll es losgehen – aber nicht mit dem Bücherausleihen, sondern mit den ersten Bauarbeiten. Und zwar nicht für ein BER-Projekt, sondern ein oder zwei zusätzliche Gebäude zur jetzigen Bibliothek am Blücherplatz.

Lederer ist ein sehr kluger Mensch, einer, der sich auch mal in Rage reden und sehr kämpferisch wirken kann. Davon war leider am Dienstag nichts zu spüren: Er will von dieser Zeitspanne zwar auch überrascht gewesen sein, habe sich aber „belehren lassen müssen, dass so ein komplexes Projekt mit einem Architektenwettbewerb seine Zeit braucht“. Doch muss sich ein Senator belehren lassen wie irgendein Subalterner? Informieren ja, aber muss er einfach akzeptieren, was er da hört? Beteiligungsverfahren, ebendieser Wettbewerb, Vor- und Bauplanung – gut und schön. Aber muss man dem so viel Zeit ­geben? Kann ein Senator nicht auch unter Beachtung aller Rechtsvorschriften auf Tempo drängen?

Sieben Jahre allein bis zum Baubeginn: So lange dauerte der gleichnamige Krieg, so lange war Heinrich Harrer in Tibet. Nur mal zum Vergleich: Die neue Nationalbibliothek in Paris wurde 1988 angekündigt und war 1996 nach sechs Jahren Bauzeit fertig – und zwar als gigantisches Projekt mit vier fast 80 Meter hohen Ecktürmen. Und das war nicht in einer Autokratie ohne Mitspracherechte und Arbeitsschutzvorschriften, sondern im EU-Kernland Frankreich.

Man kann das ja alles wollen, kann sich abfinden mit ausufernden Architekten- und sonstigen Diskussionen, kann Designaspekte über den Wunsch nach schneller Verfügbarkeit einer modernen Bibliothek mit viel mehr Platz als jetzt stellen. Aber dann sollte man nicht hingehen und wie Klaus Lederer von einer der drängendsten Investitionen der Stadt sprechen. Denn das verhöhnt all jene, die seit Jahren schon über zu wenig Platz in der ZLB klagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!