Berliner Wochenkommentar I: Der linke Club hat ein Problem
Auf Ausschreitungen seiner Fans beim Pokalfinale am Montag hat der SV Babelsberg klug reagiert. Nun müssen Verein und Fans Konsequenzen ziehen.
Nachdem beim Brandenburger Landespokalfinale am Montag etwa 30 vermummte Anhänger des SV Babelsberg Leuchtraketen in den Block der Cottbus-Fans abgefeuert und die eigenen Ordner mit Böllern beworfen hatten, hat der Verein klug und angemessen reagiert.
Sowohl Babelsberg-Präsident Archibald Horlitz als auch Trainer Almedin Čiva haben sich im richtigen Ton distanziert. Auch viele Babelsberger Fans haben die Aktion scharf kritisiert, einige äußerten sich anonym in Zeitungen.
Dennoch schwang eine gewisse Hilflosigkeit mit. Mehrere Anhänger berichteten, sie seien angepöbelt und bedroht worden, als sie sich gegen die Aktion gewehrt hätten. Ein Augenzeuge sprach von „Fausthieben“ und „purer Militanz“. Sichtbar war auch die Zustimmung zahlreicher anderer Fans, die mit Handys filmten.
Für den SV Babelsberg, dessen Engagement als linker Vorzeigeclub eine Art Lebensversicherung ist, sind solche Vorfälle weitaus bedrohlicher als für andere Vereine. Wenn jetzt Sponsoren abspringen oder die Politik auf Distanz geht, gibt es ein Problem.
Der Klub hat bislang vor allem auf Gespräche gesetzt, um innere Konflikte zu lösen. Das ist mutig und richtig. Es hat aber nicht die tiefe innere Spaltung der Fanszene verhindert. Die Selbstheilungskräfte der Kurve stehen jetzt auf der Probe.
Und nicht nur dem Verein, auch der ewigen Debatte über Pyrotechnik hat die Aktion massiv geschadet. Der DFB wird sich in seiner Kriminalisierung von Pyro bestätigt fühlen. Die vielen Anhänger, die verantwortungsbewusst mit Bengalos umgehen, leiden unter denen, die meinen, damit auf Menschen werfen zu müssen. So ist eine Legalisierung weit weg.
Von welchem Fan-Selbstverständnis zeugt es, seinem chronisch pleitebedrohten Verein ständig Pyro-Strafen zuzufügen? Es ist eine sehr zweifelhafte Selbstermächtigung.
Den Gegner Energie Cottbus hat man zu Recht oft dafür verurteilt, dass sich die schweigende Mehrheit zu wenig gegen Nazis im Block auflehne. Der SV Babelsberg darf jetzt zeigen, wie es um die eigene Selbstreinigung steht. Leicht wird das nicht. Ein Fan schlug vor, bei Ausschreitungen den Block zu verlassen. Es wäre ein wirkungsvolles Bild. Und sonst: wieder viel reden. Vielleicht auch strafen. Wie es sich anfühlt, gegen eine gewaltbereite Minderheit anzukämpfen, kann man ja mal in Cottbus nachfragen.
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