Berliner Wochenkommentar I: Warten auf ein Signal
Gerade von der Berlinale, die sich gerne als politisches Festival gibt, werden in Sachen #MeToo Positionen erwartet. Die blieben zumindest bei der Eröffnung aus.
So ein bisschen Endzeitstimmung herrscht schon bei dieser Berlinale, die am Donnerstagabend eröffnet wurde. Zum einen wegen der #MeToo-Debatte: Schließlich ist das Filmfestival das erste große seiner Art, seit sich diese Emanzipationsbewegung artikuliert. Und gerade von der Berlinale, die gerne das Schild vom politischen Filmfest vor sich herträgt, werden Positionen und Diskussionen erwartet. Allerdings bleibt nach der Eröffnung das Gefühl zurück, dass bei der Berlinale die Debatte mindestens ebenso gefürchtet wie erhofft wird.
Zum anderen sind es die letzten richtigen Spiele mit Chef Dieter Kosslick. Zwar läuft dessen Vertrag noch bis Frühling kommenden Jahres. Aber es ist klar, dass lange vor 2019 sein Nachfolger feststehen wird.
So hat Kosslick, mit seinen Kalauern und seinem Pidgin-English das Markenzeichen des Filmfests, bei der Eröffnungsgala nur einen gerade mal fünfminütigen Auftritt, der auch noch mit einem echt schlechten Spruch endet. Und allen Danksagungen der anderen Redner – darunter Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Kulturstaatssekretärin Monika Grütters (CDU) – in Richtung Kosslick zum Trotz wirkt der Noch-Berlinale-Chef seltsam abwesend.
Ähnliches lässt sich über die #MeToo-Debatte sagen: Zwar trägt an diesem Donnerstagabend jede und jeder, der etwas auf sich hält, als Zeichen des Protests Schwarz. Aber es fehlt dann doch ein klares Signal. So erhält Grütters nur dezenten Applaus für ihre Ankündigung, die Gründung einer Beschwerdestelle gegen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe in der Filmbranche zu finanzieren.
Am Ende ist Moderatorin Anke Engelke sichtlich erleichtert, alles gut überstanden zu haben. „Wir hatten ein bisschen Bammel, weil so eine schwarze Wolke über dem Abend hing“, sagte sie mit Blick auf die #MeToo-Debatte.
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