Berliner Weihnachtsmarkt für Metal-Fans: Bitte schön nüchtern bleiben
Beim „Bloody X-Mas“-Markt auf dem Freiluftcampus der Berliner Charité spritzt Blut nicht vom Himmel. Es rinnt durch Schläuche, um Leben zu retten.
E s ist ein Weihnachtsmarkt speziell für Fans der für ihre trinkfeste Anhängerschaft bekannten Musikrichtung Heavy Metal. Und es ist Samstagnachmittag, also denkt man, dass bei so manchem der Besucher der Glühweinpegel bereits jetzt einen Höchststand erreicht haben müsste.
Aber das genaue Gegenteil ist der Fall beim „Bloody X-Mas“-Markt, der zwei Tage lang auf dem Freiluftcampus der Berliner Universitätsklinik Charité stattfindet. „Kein Alkoholausschank derzeit“, heißt es an den paar Buden, die aufgestellt wurden. Erst in ein paar Stunden, wenn die Blutspendeaktion ums Eck in der Klinik vorüber ist, werden die Zapfhähne geöffnet.
„Bloody X-Mas“ ist ein Joint Venture zwischen dem Institut für Transfusionsmedizin der Charité und dem Wacken Open Air, dem größten Metal-Festival der Welt. Einmal im Jahr drehen dort ein paar Tage lang auf einem Acker in Schleswig-Holstein Massen an Headbangern durch, die Bilder von dem Spektakel landen sogar in der „Tagesschau“.
Wacken ist Kult, laut und verrückt. Aber man kann ganz offensichtlich auch anders. Die Idee bei „Bloody X-Mas“: Das Festival lockt mit ein wenig weihnachtlichem Zauber und musikalischem Begleitprogramm blutspendenwillige Metal-Fans mit sozialer Ader, damit sich die Charité über aufgefüllte Blutbanken kurz vor dem Ende des Jahres freuen kann. Die Aufwandsentschädigungen für die Spender werden komplett an die Kinderschutzambulanz des Klinikums weitergegeben.
Erst einen ziemlich langen Fragebogen ausfüllen
Wael Yakti hat von der blutigen Sache im Fachmagazin Metal Hammer erfahren, sagt er. „Tolle Idee“, habe er sich gedacht, der selbst Musiker bei einer Gothic-Metal-Band ist. Und nun sitzt er hier, seine beiden Kinder neben ihm, und füllt einen ziemlich langen Fragebogen aus, bevor er gleich beim Blut abnehmenden Arzt seinen Arm freimachen darf.
Ulrich Kalus, der stellvertretende Institutsdirektor, der in seinem weißen Doktorkittel zwischen all den vornehmlich schwarz gekleideten Metallern besonders auffällt, findet die ganze Sache verständlicherweise ebenfalls rundum großartig. Nein, ein Metal-Fan sei er nun trotzdem nicht, sagt er, aber dass fast dreimal so viele Blutspenden als üblich an diesen beiden Tagen reinkämen, das beglückt ihn sehr.
Das Wacken Open Air engagiert sich schon seit einer ganzen Weile für das Spenden von Blut. So gibt es beispielsweise die Möglichkeit, Dank eines eigenen Blutspendenausweises ein spezielles Wacken-Shirt mit einem „Metal runs through my veins“-Aufdruck zu erstehen.
Linda Böttcher, die sich als Managerin für soziale Projekte des Festivals vorstellt, glaubt, die Sache mit dem Blutspenden laufe deswegen so gut, weil die Metalszene eben „super sozial“ sei. Eine Einschätzung, die das gängige Bild des Metalheads, der nur Saufen und diese ohrenbetäubende Musik im Sinn hat, konterkariert.
Die Band besteht mehrheitlich aus Alkoholabstinenzlern
Dazu passend wird im Hinterhof der Charité gleich noch ein Meet & Greet mit der Metalcore-Band Heaven Shall Burn stattfinden, den Schirmherren von „Bloody X-Mas“. Die enorm erfolgreiche und bekannte Band aus Thüringen engagiert sich seit Jahren für soziale Projekte, die Geflüchtetenhilfe und gegen rechts. Außerdem besteht sie mehrheitlich aus Vegetariern und Alkoholabstinenzlern.
Die harten Jungs, die gar nicht so hart sind, stecken gerade auch noch mitten in einem weiteren Blutspendenprojekt in Kollaboration mit Wacken. In ein paar Monaten beginnt ihre „Pay with your Blood“-Tour, die Tickets dafür gab es für Blutspender gratis.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Blut wird im Metal gerne ausgiebig auf Plattencovern verspritzt oder regnet wie im berühmtesten Song von Slayer sogar vom Himmel. Der rote Stoff hat eine besondere Bedeutung in dieser Szene, meist als Metapher für Tod und Verderben. Wenn sich damit auch noch Leben retten lassen: umso besser.
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