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Berliner VerwaltungsreformKein Gewinnerthema

Kommentar von Stefan Alberti

Die Anhörung zur Reform zeigt: Mit einem Parlamentsbeschluss ist es nicht getan. Und bis zur Wahl 2026 dürften Verbesserungen kaum spürbar sein.

Bis zum nächsten Urnengang in Berlin ist es noch ein bisschen hin Foto: dpa

Silodenken“. „Kultur des Misstrauens“. Beschäftigte, die es gewohnt seien, „in Abgrenzung zu anderen Referaten und Häusern zu denken“. Was am Mittwoch im Abgeordnetenhaus bei einer Anhörung zur Verwaltungsreform zu hören war, konnte einen schlucken lassen. Denn es war ja nicht so, dass da im Plenarsaal zwei ignorante Dampfplauderer schwadronierten. Von einer solchen misslichen Kultur unter den fast 150.000 Beschäftigten des Landes berichteten vielmehr zwei, die es wirklich wissen: die Chefin des Hauptpersonalrats, Daniela Ortmann, und Martin Schäfer, der Bezirksbürgermeister von Lichtenberg.

Das machte klarer denn je: Wer meint, mit der politischen Einigung über die Reform – die auch noch nicht in trockenen Tüchern ist – sei es getan, liegt daneben. Falls das Abgeordnetenhaus tatsächlich, wie von Regierungschef Kai Wegner (CDU) erhofft, am 10. Juli die Reform beschließt und Veränderungen auch in der Verfassung in der Vergangenheit vergeblich anpeilten, so ist damit nur der rechtliche Boden für eine besser funktionierende Verwaltung bereitet.

Ob daraus etwas wird, hängt von der Umsetzung ab, was in großen Worten unter „mehr gesamtstädtische Steuerung“ läuft und konkret bedeutet, dass vor allem Bezirke und Senatsverwaltungen nicht länger gegen-, sondern miteinander arbeiten. Für Hauptpersonalratschefin Ortmann war das am Mittwoch eine Frage des Umgangs und der Kultur in den Referaten, Ämter und Dienststellen allgemein.

Die Mitarbeiter müssen aus ihrer Sicht in dem neuen Denken geschult werden. Das hat seinen Preis, aber in diesem zentralen Punkt wegen der misslichen Haushaltslage zu sparen, wäre absolut kontraproduktiv. Schlichter gesagt: Dann hätte man es mit der Reform erst gar nicht versuchen müssen und sich die vielen, teils auch hitzigen Gespräche und Diskussionen ersparen können.

Bis aber 150.000 Menschen in besagten Ämtern verinnerlicht haben, grundsätzlich miteinander und projektorientierter zu arbeiten, dürfte einige Zeit vergehen. Was auch durchaus nachvollziehbar ist und sich nicht einfach als kleinkrämerisches Nicht-über-den Tellerrand abtun lässt. In der Berlin-Redaktion der taz etwa bricht auch nicht regelmäßig der große Jubel aus, wenn ein Artikel aus den eigenen Reihen plötzlich auf den vorderen Seiten der Zeitung stehen soll – denn wer füllt dann die eigenen Seiten?

Zu wenig spürbar, um die Wahl zu entscheiden

Dieser langwierige Prozess bedeutet wiederum für die Abgeordnetenhauswahl im September 2026: So sehr Regierungschef Wegner sich um die Reform verdient gemacht hat, so wenig politischen Vorteil wird er daraus ziehen können. Denn eine andere Haltung in der Verwaltung, ein Ende des bisherigen „Behörden-Pingpongs“, bei dem einer dem anderen die Zuständigkeit zuschiebt oder abspricht, wird bis dahin nicht überwunden und damit auch für die Wählerschaft nicht wirklich spürbar sein.

Deshalb braucht sich die SPD, wie gerade zu hören ist, nicht so viele Gedanken zu machen, ob sie dem CDUler Wegner den politischen Erfolg gönnen soll, die Reform auf den Weg und – vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments – auch durchgesetzt zu haben. Bloße Parlamentsbeschlüsse, die dann über ein Jahr zurückliegen, werden am Wahltag im Herbst 2026 ohne spürbare Folgen die wenigsten Menschen interessieren.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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