Berliner Szenen: Ku-Klux-Klan im Urban
Verstauchter Fuß, verstörende Filme, polyglotter Arzt.
Vom Neuen Off direkt ins Urban-Krankenhaus: „Es ist aber Samstagnacht!“, halte ich entgegen. Nicht, weil ich feiern gehen will, sondern weil in der Notaufnahme die Hölle los sein wird. Meine Freundin will nichts davon hören und ruft ein Taxi. Ich sage nichts mehr, denn der Fuß, den ich mir heute verstaucht habe, wird immer dicker, und es ist doch schön, dass Freunde dabei sind, wenn etwas wehtut.
Wir rollen über die Hasenheide, die Fenster sind beschlagen, der Fahrer schweigt. Ich bin enttäuscht, dass er nicht so gesprächig ist wie Jafar Panahi im Film und nur genervt schnauft, wenn eine Ampel rot wird.
In der Notaufnahme ist es voll wie in den angesagtesten Kneipen, Alkohol ist auch in der Luft sowie eine Mischung aus Krankheit, nassen Klamotten und Desinfektionsmittel. Die Menschen sitzen dicht an dicht, sie trösten sich, lesen Zeitung, sehen fern. Es läuft ein Dokumentarfilm über den Ku-Klux-Klan. Der Ton ist laut gestellt, der grausame Bericht mischt sich mit den Stimmen im Raum.
Ein blasser junger Mann sieht aus, als falle er gleich in Ohnmacht. Eine Frau zeigt ihre blutige Hand. Zwei husten im Chor. Der Film wird immer schlimmer, bis wir fragen, ob es möglich wäre, umzuschalten. So etwas hier laufen zu lassen, ist, als würde man auf Flügen Katastrophenfilme zeigen. Jemand zappt zu einem Tierfilm.
Nach drei Stunden bin ich dran. Ein junger Arzt begrüßt mich mit „Buonasera!“ (“Ihr Nachname ist italienisch, oder?“). Als ich sage, dass ich Spanisch spreche, schaltet er um und fragt akzentfrei, was mit dem „piecito“ (Füßchen) sei. Ich bekomme die ersten Krücken meines Lebens, und wir lachen uns kaputt, weil ich damit nicht umgehen kann: Meine Freundin muss mich tragen. Beim Hinausgehen sehen wir, dass wieder der Ku-Klux-Klan läuft.
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