Berliner Szenen: Es geht um die Wurst
Currywurst gilt als urberlinerisch. Keiner Wunder, dass die Wogen hoch schlagen, wenn es Streit darum gibt.
Gibt es eigentlich noch Neues auf dem Gebiet des sogenannten Deppenapostrophs? Sind alle Varianten der falschen Genitivkonstruktion durchdekliniert? Ja, es gibt tatsächlich eine Steigerungsform: den falschrum gesetzten Deppenapostroph. Aber dazu später mehr – jetzt geht’s erst mal um die Wurst.
Die Wurst ist heiß und fettig und badet in Ketschup-Curry-Pampe. Viele verschlingen sie am Rande der U-Bahnlinie 2 in Prenzlauer Berg. Und weil es so viele sind, die sie verschlingen, macht der Begriff „Kult“ die Runde. Wobei über dem berühmt-berüchtigten „Konnopke’s“-Imbiss am U-Bahnhof Eberswalder Straße das Wort „Kult“ nicht steht. Das steht nur in den Reiseführern. Und über dem „Imbiss-Restaurant“, das Mario Ziervogel, der Sohn von Konnopke’s-Chefin Waltraud Ziervogel, gestern am Senefelderplatz eröffnet hat: „Ziervogel’s Kult-Curry“. Mit falschrumem Apostroph.
Dass Waltraud Ziervogel nun einen Rechtsstreit gegen den eigenen Sohn geführt hat, hat aber mit Orthografie nichts zu tun. Eher mit unliebsamer Konkurrenz. Vordergründig ging es am Dienstag vor dem Landgericht um einen Claim, mit dem Mario Ziervogel ursprünglich seinen ersten eigenen Laden bewerben wollte: „Currywurst seit 1960“.
Kann gar nicht sein, so Mutter Ziervogels Anwalt Fabian Tietz: Vor 52 Jahren war der Mario ja noch gar nicht geboren. Also ein klarer Fall von unlauterer Werbung, auch wenn Sohnemann später jahrelang bei Konnopke’s Würste geschnippelt und in Soße versenkt hat. „Er will jetzt die Früchte ernten, für die seine Mutter jahrzehntelang hart gearbeitet hat“, so Tietz, leider nicht ganz metaphernsicher.
Aber Sohn Ziervogel gibt sich auch zufrieden: Am Namen „Ziervogel’s Kult-Curry“ hatten die Richter nämlich nichts auszusetzen – obwohl die Behauptung, ein gerade erst eröffneter Laden sei bereits „Kult“, ziemlich gewagt ist. Was soll’s: Über all den lustigen Konnopke’s-Geschichten vergisst man nur zu gern, dass der vermeintliche „Kult“, diese Visitenkarte der Berliner Gastronomie, also die Currywurst, vor allem eines ist: eine ausgewachsene kulinarische Sauerei. Foto: Rainer Zenz/cc
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