Berliner Szenen: Gottes Zorn
Berlin ist wild und gefährlich. Und unsere AutorInnen sind immer mittendrin. Ihre schrecklichsten, schönsten und absurdesten Momente in der Großstadt erzählen sie hier.
M atthias Matussek hatte mir „Feuer und Posaunenschall“ versprochen, wenn ich zur Buchvorstellung seines neuen Buchs „Die Apokalypse“ käme. Das ist doch mal was, jedenfalls mal was anderes, denke ich. Ich verabschiede mich von meiner Familie und gehe. Man kann ja nie wissen.
Matussek steht im Theater des Aufbau-Hauses mit zwei Aufbau-Frauen aus dem Aufbau-Verlag zusammen. Ich sage zu ihm, dass ich nur gekommen sei, weil ich eine anständige Offenbarung erleben möchte. Er stellt mich den beiden Aufbau-Frauen als den „gefährlichsten Mann Kreuzbergs“ vor. Ich weiß aber nicht, warum. Eine der beiden Aufbau-Frauen sagt daraufhin, dass sie nicht weiß, ob sie mich kennenlernen möchte.
Der Besuch seiner Lesung, sagt Matussek, beinhalte einen „vollgültigen Ablass aller Sünden“. Ich sage, dass ich deshalb die Katholen so lieben würde. Als ich selbst noch einer war, musste man einfach nur sagen, dass man gegen irgendein Gebot verstoßen hatte, und schon waren gegen ein oder zwei „Vater Unser“ alle Sünden vergeben. Fairer Deal.
Ich sage Matussek dann noch, dass er hoffentlich zu schätzen wisse, dass ich seinetwegen auf das Pokalspiel des BVB gegen Aalen verzichten würde. Statt das zu schätzen, meint Matussek, dass die „zwei Punkte im letzten Spiel der Dortmunder“ wichtig gewesen seien. Daran sehe ich, dass seine Fußballkenntnisse schon ein wenig zurückliegen, denn um zwei Punkte ging es zuletzt vor 18 Jahren. Heute geht es um drei oder um einen.
Ein Moderator stellt Matussek vor. Ich erfahre aber nichts Neues. Statt „Feuer und Posaunenschall“ gibt er eine Kostprobe aus seinem Buch. Aber das kenne ich schon. Ich gehe, um nicht den Zorn eines anderen Gottes auf mich zu ziehen. Des Fußballgottes. Gott sei Dank ist er mir gnädig gestimmt. Dortmund gewinnt ganz souverän und locker.
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