Berliner Szenen: Von innen böse
Berlin ist wild und gefährlich. Unsere AutorInnen sind mittendrin. Ihre schrecklichsten, schönsten und absurdesten Momente erzählen sie hier.
E s ist schlimm. Seit ich in der taz diesen Text darüber gelesen hatte, dass man in Costa Rica das Leitungswasser nicht mehr trinken darf, weil es verseucht ist von den Pestiziden aus dem Ananasanbau, hatte ich Bock auf Ananas. Aber so richtig. Jeden Tag dachte ich, heute kaufe ich eine Ananas, aber dann kam immer irgendwas dazwischen.
Dann war ich im Biosupermarkt, und es gab keine Ananas. Ich kaufte eine Flasche Ananas-Kokos-Saft, und der war toll, aber nicht das, was ich eigentlich wollte. Dabei wohne ich neben einem Gemüsehändler, der hat auch Ananas, aber es ergab sich einfach nie, dass ich da reinging und eine kaufte. Wenn ich von zu Hause losging, wollte ich sie nicht kaufen, ich wollte sie nicht rumtragen, und wenn ich nach Hause kam, hatte der Laden schon zu, und um extra runterzugehen, war ich zu faul, natürlich.
Es war genau wie bei den tausend anderen Dingen, die sich einfach nicht ergeben, obwohl man eigentlich wirklich will. Ich kämpfte nicht für meine Ananas. Ich wünschte sie mir nur.
Und dann lief ich mit Stefan am Kotti vorbei, und der Stand, der da immer ist, hatte Ananas für 1,49 Euro. In dem taz-Artikel stand, 99 Cent sei viel zu billig. Nun denn. Ich kaufte eine und trug sie zufrieden nach Hause. Nur in meinem Hinterkopf wiederholte sich leise, aber beständig die Frage aus dem Artikel: „Können wir nicht einfach auf dieses Obst verzichten? Auf Südfrüchte überhaupt?“
Zu Hause schliefen Stefan und ich dann bald ein, die Ananas blieb in der Küche liegen. Am nächsten Tag fuhr Stefan weg. Ich dachte, ich kann die Ananas jetzt nicht anschneiden, so eine ganze schaffe ich nicht. Drei Tage schlich ich um sie herum.
Den vierten Tag befand ich für würdig genug, sie zu essen. Ich nahm sie in die Hand, und sie roch vergoren. Schon von außen. Als ich mit dem Messer reinpikte, war sie eklig von innen. Ich warf sie in den Biomüll.
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