Berliner Szenen: Weiblich, rosafarben, 1,20 Meter
Wo man den Osterhasen am allerwenigsten erwartet? Vor dem Berghain in Berlin, gleich neben dem Nirgendwo. Eine Begegnung.
Der Osterhase steckt in Himbergen fest“, hieß es früher bei meinen Großeltern. So bekam ich ihn selbst nie zu Gesicht, aber irgendwie hat er es doch immer geschafft, etwas im Garten zu verstecken. Später schickte der Osterhase seine Sachen mit der Post nach Berlin, und damit sie nicht verloren gehen, schrieb er als Absender die Adresse meiner Mutter auf das Paket. Dieses Jahr steckten die Ostereier dann wirklich fest, allerdings nicht in Himbergen, sondern in Bremen-Hemelingen oder Rüdersdorf, denn die Post streikte.
Am Ostersonntag, ich sitze auf einer Brachfläche auf dem ehemaligen Gelände des Wriezener Bahnhofs in der Sonne, steht er dann auf einmal einfach vor mir. Der Osterhase. Er ist weiblich, rosa, etwa 1,20 Meter groß, hat einen Weidenkorb und eine Freundin im Grundschulalter dabei. Die beiden diskutieren ein wenig, dann beginnt der Osterhase zu sprechen. Er überreicht mir ein paar Süßigkeiten und einen Flyer für ein Osterfeuer im Nirgendwo.
Ich erkläre den beiden, dass ich abends leider keine Zeit habe, darf aber den Flyer und die Süßigkeiten behalten. „Vielleicht für einen Freund.“ Der Osterhase spricht weitere Passanten an, nicht besonders erfolgreich, denn viele sind wegen des Berghains da, dessen Wummern man aus der Ferne schon hört. „Der konnte ja nicht mal Deutsch sprechen“, sagt der Osterhase einmal verdrießlich zu seiner Freundin. Und etwas später: „Wann kommt Mama denn endlich?“ Dann verschwinden die beiden im Nirgendwo, so heißt der Biergarten direkt neben dieser Brachfläche. Aus dem Berghain kommt ein Skinhead und schimpft auf Englisch irgendwas ins Telefon.
Mama Osterhase ist etwas später dann endlich auch da, sie ist ebenfalls rosafarben. Gemeinsam machen sich die Hasen in Richtung Warschauer Straße auf. Dort haben sie sicherlich aufgeschlossenere Kunden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!