Berliner Szene: In der Graefestraße
Ab nach Albanien
Die italienischen Jungs von der Pizzeria Casolare tun mir leid. Wenn die Touristenschwärme über den Laden herfallen und den berühmten Wall of Schnattersound produzieren, wenn es heiß ist und keine Fläche mehr übrig ist, auf der keine Pizza steht, dann haben sie einen der härtesten Jobs der Welt, vergleichbar mit einem Job an einem Hochofen in einer Zeche in Duisburg. Aber den gibt es ja nicht mehr. Ich bewundere, wie gelassen sie in Berlins Touristenabfütterungsstelle numero uno Haltung bewahren
Das geht mir durch den Kopf, wenn ich vorbeigehe zur Gelateria Tosoni, denn Eisläden sind ausgestorben, in Kreuzberg gibt es die Läden quasi nur noch im Original, nicht mehr übersetzt. Sogar eine Pasticceria gibt es in der an schaumcremigen Läden reichen Graefestraße, und diese Pasticceria hat so kleines und zartes Gebäck, dass man sich gar nicht hineintraut in den Laden. Bei Tosoni gibt es das beste Eis der Welt, und es wird dort auch ganz italienisch mit einem Spachtel auf die Waffel getürmt. Für Fup ist dies ein Ort des Glücks, er könnte stundenlang dort sitzen und Eis schlecken.
In der Graefestraße entdecke ich ein Graffito. Früher stand da mal „Wohnraum für alle!“. Jetzt steht da: „If you want to speak English go to New York“. Wieso nach New York?, frage ich mich. Ist das nicht etwas weit weg, nur um Englisch zu sprechen? Ich meine, nichts gegen New York. Ich würde gern mal wieder nach New York gehen, und wenn ich dafür nur Englisch sprechen müsste, würde ich das glatt machen. Na gut, offenbar hat das jemand geschrieben, der Englisch nicht leiden kann.
Aber wäre es dann nicht sinnvoller, die Leute in die Wüste oder nach Albanien zu schicken? Und wohin wird man eigentlich geschickt, wenn man Italienisch spricht? Könnte nämlich ein Grund sein, Italienisch zu lernen. Klaus Bittermann
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