Berliner Szene: Särge hier und dort

Leben und Tod am Landwehrkanal. Wie Telefonate mit zu Hause entscheidende Fragen klären können.

Hurra, wir leben noch! Paare am Landwehrkanal. Bild: dpa

Als ich irgendwann mittags auf einer Brücke stand, der Hobrechtbrücke in Neukölln, im noch winterlich schwachen Sonnenlicht, rief mein Vater an. Er sagte, dass das mit der Metallauskleidung der Särge Unsinn sei, was ich in der letzten Berliner Szene behauptet hatte, stimme nicht. Die Nachbarschaft des Friedhofs würde ihr Trinkwasser keinesfalls aus dem unmittelbar nahen Grundwasser beziehen. Außerdem seien Sarginhalte durchaus biologisch abbaubar, eine Kontamination des Erdbodens sei nur im Falle einer Verstrahlung oder hoch toxischen Vergiftung gegeben.

Das Wasser im Landwehrkanal sah nicht leichenblass aus, dachte ich. Sondern schwarz und schmutzig. Wie verwest.

In seiner Jugend, erzählte mein Vater, während eine ältere Joggerin mit angeleintem, flinkem Hund an mir vorbeihechelte, habe er mal mit dem befreundeten Sohn eines Bestatters Gräber ausgehoben, für zehn Mark das Grab. Was damals eine Menge Geld war usw. Damals, in den frühen sechziger Jahren.

Die gefundenen Wertgegenstände – Eheringe, Goldzähne, Schmuck (die Geschichte mit dem Hund des Bestattersohns, der dann immer mit den gefundenen Knochen weglief, lass ich hier einmal aus) – mussten zurückgegeben werden, sie waren inzwischen in Kirchenbesitz übergegangen. Gehörten der Kirche, nicht mehr den Familien, betonte mein Vater am Telefon. Mit Empörung in der Stimme.

Ich erzählte von den Grabhäusern in Lissabon, daher hatte ich das mit den Metallauskleidungen – manche der Grabhäuser hatten Glastüren, sodass man auf die in Regalen aufgereihten Särge schauen konnte. Damit die sterblichen Überreste nicht aussuppten, wie gesagt, mussten diese Särge mit Metall ausgeschlagen sein.

Andere Länder, andere Sitten, sagte er. Es war ein schönes Gespräch, das erste gute seit Monaten.

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