Berliner Stromnetz in der Gasmangellage: Rettungswesten im Netz
Das Berliner Stromnetz ist sicher – jedenfalls ziemlich sicher. Und laut seinem Geschäftsführer auch für den Fall der Fälle gewappnet.
Vor allem um diese Transformatoren geht es Landeck, der mit Wirtschafts- und Energiesenator Stephan Schwarz auftritt, um einige zurzeit verbreitete Sorgen zu zerstreuen: Was, wenn das Gas so knapp wird, dass plötzlich alle mit Strom heizen? Den Heizlüfter anschalten, den sie frisch im Baumarkt erstanden haben, oder der seit vielen Jahren im Keller verstaubt? Es ist das Schreckgespenst aller Stromnetzbetreiber, denn dann droht der Blackout – ein Wort, das Schwarz nach eigenem Bekunden nur widerwillig in den Mund nimmt, weil es nur falsche Sorgen schüre.
Denn, so der parteilose Schwarz, der für die SPD die Senatsverwaltung am Rathaus Schöneberg führt, eine Gasnotlage in diesem Winter sei ein „superunwahrscheinliches Szenario“: Die Speicher sind voll, die ersten Flüssiggasterminals fertig, und lange Frostperioden sehen die Meteorologen auch nicht kommen. Weil aber zumindest deren Prognosen mit Vorsicht zu genießen sind, hat Schwarz vorsorglich einen Krisenstab eingerichtet, und die erst seit Kurzem wieder landeseigene Stromnetz GmbH checkt derzeit ihre „Betriebsmittel“ durch, wie Kabel, Muffen, Trafos und Co. im Fachjargon heißen.
Man habe verschiedene Szenarien durchgespielt, so Netzchef Landeck, und dabei herausgefunden, dass insbesondere die Netzstationen mit ihren Transformatoren gefährdet seien: Würde sich die durchschnittliche maximale Leistung in Berlin von rund 2,3 Millionen Kilowatt durch massives Heizen mit Strom plötzlich verdoppeln oder verdreifachen, liefen die nämlich heiß. Wobei nicht alle Sicherungen haben, die für eine automatisch Trennung vom Netz sorgen – das geschieht dann händisch (aber per Fernsteuerung).
Landeck legt großen Wert darauf, dass das Abschalten im Fall der Fälle unbedingt sein muss: Andernfalls nämlich ginge die Technik früher oder später kaputt, „und das können wir uns auch als Gesellschaft gar nicht leisten“. Denn auf die Lieferung eines neuen Großtrafos warte man heute schon 20 Monate.
Besser mal ein paar dunkle Stunden
Da ist es besser, in ein paar hundert Haushalten gehen für ein paar Stunden die Lichter aus. Nach dem Wiederanschalten könne sich das Spiel zwar noch ein paar mal wiederholen, so Landeck, aber er vertraue auf die Kreativität der BerlinerInnen und ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation: „Da werden sich Hausgemeinschaften absprechen, um den gleichzeitigen Stromverbrauch zu reduzieren, ob per Whatsapp-Gruppe oder per Anschlag im Treppenhaus.“
Rund 100 Transformatoren habe man schon als Ersatz auf Lager, so der Stromnetz-Chef, und auch bei allen anderen „Betriebsmitteln“ habe man aufgestockt. Berlin sei für den Fall der Fälle „schlichtweg gut vorbereitet“ – und gleichzeitig spreche nichts dafür, dass dieser eintrete. „Aber es ist wie auf einem Schiff: Da wären Sie auch irritiert, wenn es keine Rettungswesten gäbe und der Kapitän Ihnen versicherte, es sei bei ihm doch noch nie jemand ertrunken.“
Dass die BerlinerInnen den Ernst der Lage ohnehin erkennen, schließt Landeck aus einer ziemlich überraschenden Zahl: Im September sei der berlinweite Stromverbrauch im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5 Prozent, im Oktober sogar um 8 Prozent gesunken. Das sind gewaltige Mengen – aber wer genau spart hier mit welchem Verhalten? Da muss der Herr des Netzes passen: „Ich weiß es schlicht nicht. Sie können da nur in Ihrem Bekanntenkreis herumfragen.“ Was wann durchs Netz fließt, weiß ein Betreiber – aber nicht, wer warum welches Gerät ausschaltet.
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