Berliner Renommiermeile im Abseits

Während die großen Kaufhäuser wie Karstadt ihre Eröffnungstermine in der neugestalteten Friedrichstraße einhalten, liegt die luxuriöse Passage immer noch brach  ■ Aus Berlin Uwe Rada

In der Jägerstraße, einer Seitenstraße der Friedrichstraße, ist ein Schild angebracht. Auf dem Schild steht mit großen Buchstaben: „Eröffnung“. Drüber, unter dem schnittigen Vordach des gläsernen Quartiers 207, hängt eine kleine Tafel mit einem Pfeil. Auf der Tafel steht: „Passage“. Doch der Pfeil weist auf eine verschlossene Tür. Die Eröffnung des bereits vor einem Jahr fertiggestellten 1,4 Milliarden Mark teuren Mammutprojekts Friedrichstadt-Passagen mußte gestern erneut verschoben werden. Zum vierten Mal.

Daß es in Berlin eine Büroflaute gibt, ist bekannt. Erst vor zwei Tagen wartete das Hamburger Maklerbüro Engel und Völkers mit einer neuen Rekordmarke auf. Demnach stehen über eine Million Quadratmeter Bürofläche leer. Daß es an der Spree freilich auch eine ausgesprochene Einzelhandelsflaute gibt, dafür sind die Friedrichstadt-Passagen beredtes Beispiel. Im Quartier 206 etwa, dem mittleren der drei Blöcke, die mit der – namensgebenden – Passage unterirdisch verbunden sind, wurde erst ein einziger Mietvertrag unterzeichnet.

Dabei hatte alles so schön werden sollen. 8.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche für „exklusive Designer, Avantgardisten und junge Mode“ hatte der Investor des Quartiers 206, die Kölner Fundus-Gruppe, bereitgestellt. Statt Luxus herrscht im Quartier 206 aber nur gähnende Leere. Auch der Wachmann, der das Nichts bewacht,ist ratlos. „Nun soll wohl im November geöffnet werden“, sagt er. Genau weiß er es nicht. Der Investor wahrscheinlich auch nicht.

Mittlerweile allerdings ist das Quartier 206, für dessen Vermarktung die Fundus-Gruppe eigens den ehemaligen SPD-Bausenator Wolfgang Nagel verpflichtet hatte, nicht mehr zum Sorgenkind, sondern gar zum Ärgernis der anderen Passagenbetreiber geworden. Der Grund: Fundus-Vermieter Nagel will vom Konzept eines noblen Shoppingblocks – trotz der Flaute – noch immer nicht lassen. „Mit Hennes & Mauritz würden wir unsere Flächen auch voll bekommen, wir wollen aber Läden im Format von Jil Sander.“

Im Quartier 205, dem nördlichen der drei Blöcke, ist man mit weniger zufrieden. Hier sind nach Angaben des Investors Tishman Speyer Properties immerhin 60 Prozent der Einzelhandelsfläche vermietet. Selbst im unterirdischen Passagenbereich, sagt Tishman- Geschäftsführer Bruns-Berendelg, hat bereits jeder zweite Laden einen Mieter gefunden. 3.700 der insgesamt 17.000 Quadratmeter Ladenfläche im Quartier nimmt dabei der Karstadt-Konzern ein, der die Eröffnung seines Sporthauses schon lange auf den 16. Oktober terminiert hatte. Die gleichzeitige Eröffnung der unterirdischen Passagen gehörten für Karstadt-Geschäftsführer Kretzschmar ausdrücklich zum Eröffnungkonzept.

Verärgert ist auch Rolf Kauz. Der gebürtige Ostberliner hat im Passagenbereich des Quartiers 207, dem Glaspalast von Lafayette, ein Bistro eröffnet. Vom Kundenstrom ist Kauz' La Bouche allerdings weitgehend abgeschnitten. Lediglich von der unterirdischen Schlemmeretage „Lafayette Gourmet“ führt der Weg in den Passagenstummel. Nach fünzig Metern ist Ende. Ein Gitterzaun markiert die Shoppinggrenze, dahinter beginnt das Leerstandsquartier 206.

„Wir sind absolut nicht damit zufrieden, daß die Eröffnung der Passage wieder verschoben wurde“, schimpft Bistro-Inhaber Kauz. Zusammen mit der Betreiberin eines Teeladens, eines Art- Shops, einem Antiquitätengeschäft und einem Laden für Seidenpflanzen hofft Kauz nun wenigstens auf die Sogwirkung, die von diesem Teil der Passage ausgehen könnte. Statt der noch beim ersten Spatenstich angestrebten „Wiederbelebung der Flaniermeile“ der Jahrhundertwende, herrscht heute nur noch das „Prinzip Hoffnung“.

Von einer Konkurrenz zum Ku'damm ist schon lange keine Rede mehr. Die „Poesie des Konsums“, die Jean Nouvel, der Architekt des Glaspalastes im Quartier 207 bei der Eröffnungsgala der Galeries Lafayette einmal beschworen hat, bleibt wohl für immer ein leeres Versprechen.

Das wissen auch die Berliner. Während sie zur Eröffnung von Lafayette noch in Scharen pilgerten, vollzog sich die gestrige Eröffnung von Karstadt und des Passagenstummels weitgehend in Abwesenheit der Öffentlichkeit.